Aarhus Universitetshospital

Leistungsstärkste UHF-RFID Infrastruktur der Welt

Digitalisierung, Zentralisierung und Spezialisierung sind die drei Leitlinien für einen kompletten Umbau der Krankenhauslandschaft in der dänischen Provinz Mitteljütland.

1,2 Milliarden Euro für technologische Innovationen in dänischen Krankenhäusern

Digitalisierung, Zentralisierung und Spezialisierung sind die drei Leitlinien für einen kompletten Umbau der Krankenhauslandschaft in der dänischen Provinz Mitteljütland. Das Universitätskrankenhaus Aarhus ist ein Paradebeispiel für diese Leitlinien und gilt als Vorbild weit über die Grenzen Dänemarks hinaus. Die Klinik Aarhus vereint vier vormalige Krankenhäuser auf einem zentralen Klinikgelände. In diesem Jahr soll der Betrieb vollständig aufgenommen werden.

Lars Ganzhorn Knudsen, Chefberater Entwicklung und Innovation, Aarhus Universitetshospital, blickt optimistisch auf infrastrukturelle Planungen medizinischer Einrichtungen in Dänemark. Er ist begeistert von den richtungsweisenden Entscheidungen der Regierung in Kopenhagen. Dänemark, mit knapp 6 Millionen Einwohnern, kann als Blaupause für andere Länder dienen.

Im Interview mit RFID im Blick erklärt Lars Ganzhorn Knudsen, wie die Infrastruktur auf dem Medizinsektor in Dänemark modernisiert wird.

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Universitätskrankenhaus Aarhus in Zahlen und Fakten

  • 41 Kliniken auf mehr als 475.000 Quadratmeter Fläche – nach Fertigstellung 2021
  • 850 stationäre Klinikbetten und 9.700 Mitarbeiter
  • Über 920.000 ambulante Patientenbehandlungen jährlich
  • Über 46.000 Notfallbehandlungen jährlich
  • Über 82.500 operative Eingriffe jährlich
  • Über 10.000 Endoskopien jährlich
  • Über 4.850 Geburten jährlich

26 Kliniken versorgen zukünftig knapp 6 Millionen Einwohner

Das Infrastrukturprogramm sieht vor, dass sieben Krankenhauskomplexe als Greenfield-Projekte komplett neu errichtet werden. Dazu zählt auch das neue Universitätskrankenhaus Aarhus. Neun Krankenhäuser werden im Rahmen des Strukturprogramms technologisch aufgerüstet und erweitert. In zehn Kliniken werden keine baulichen oder technologischen Veränderungen durchgeführt. Nach Abschluss aller Maßnahmen wie Neubauten, Aufrüstungen oder Umbauten verfügen die 5 Regionen in Dänemark über insgesamt 26 Krankenhäuser

Überkapazitäten und strapazierte Kosten

Die Einwohneranzahl Dänemarks, die 75 Jahre oder älter sind, wird sich von 7,8 Prozent der Bevölkerung in 2017 auf 14,4 Prozent in 2047 fast verdoppeln. Auch die Verbreitung von Diabetes Typ-2 wird bis 2030 um 95 Prozent zunehmen. Bei der Anzahl der COPD-Patienten rechnet das dänische Gesundheitsministerium ebenfalls mit einer Steigerung von 45 Prozent auf bis zu 254.000 in 2030.

Insgesamt zeigen die Prognosen, dass das Gesundheitssystem und die Verteilung von medizinischen Einrichtungen nicht optimal an die gesellschaftliche Entwicklung angepasst sind. Über Jahre aufgebaute Überkapazitäten von Krankenhäusern, Notfallaufnahmen und Klinikbetten strapazieren Budgets und torpedieren die Effizienz der Patientenversorgung.

Masterplan: Digitalisierung, Zentralisierung und Spezialisierung

Der Masterplan für die zukünftige Entwicklung des Medizinsektors basiert auf den drei Leitlinien 'Digitalisierung, Zentralisierung und Spezialisierung'. Medizinische Einrichtungen sollen dadurch performanter werden. Das Ergebnis: Die Anzahl der Krankenhäuser, Notfallaufnahmen und Klinikbetten wird reduziert. Heute liegt die durchschnittliche Verweildauer eines Patienten bereits bei unter 4 Tagen – eine deutliche Reduzierung im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit.

Die Anzahl ambulanter Patienten ist zwischen 2007 und 2020 um 50 Prozent gestiegen. Das gewaltige Projekt umfasst ein Investitionsvolumen von sechs Milliarden Euro. 20 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens sind speziell für die Entwicklung und Integration neuer und innovativer Technologien in Krankenhäusern reserviert.

3.600 UHF-RFID-Reader im größten RFID-Klinikkomplex der Welt

In der ersten Bauphase des Universitätskrankenhauses Aarhus wurden 2.500 Zebra Technologies FX7500 UHF-RFID-Lesegeräten verbaut. Jedes Lesegerät ist mit 3 Zebra AN480 UHR-RFID-Antennen verbunden. Während der gesamt baulichen Realisierungsphase bis 2019 wurde auch die RFID-Infrastruktur kontinuierlich erweitert. Heute sind rund 3.600 Lesegeräte im gesamten Gebäudekomplex integriert. „Wir gehen davon aus, dass Im Universitätskrankenhaus Aarhus aktuell die leistungsstärkste UHF-RFID Infrastruktur weltweit in Betrieb ist“, sagt Lars Ganzhorn Knudsen.

Aus Sicht des Innovationsexperten Knudsen ist die Größe eines Krankenhauses ein wichtiger Faktor für die Effizienz einer IoT-Gesamtlösung. „Die Lokalisierung und Objekt- oder Personenidentifikation werden komplizierter, je größer eine Klinik ist. Die Vorteile steigen mit der Größe der Klinik. Daher kann der ROI nur ab einer bestimmten Klinikgröße erreicht werden.“

Über 20 RFID-Applikationen bereits integriert

Heute sind mehr als 35.000 Objekte mit RFID-Tags gekennzeichnet. Mehrere tausend Trolleys und mobile Ladungsträger, Boxen, mobile Werkzeuge, hunderte medizinische Geräte und Laborproben. Aktuell werden Pilotprojekte zur RFID-Kennzeichnung von Mitarbeiterausweisen durchgeführt. Nach erfolgreicher Testphase, wird erwogen bestimmtes Krankenhauspersonal damit auszustatten. Die Arbeitskleidung ist bereits mit RFID-Tags versehen.

Eine Ausweitung auf die Supply Chain wird jedoch erst in Zukunft stattfi nden können. Über 20 verschiedene Assets sind getaggt. Alle Tracking-Informationen laufen auf einer IoT-Plattform zusammen. Die Plattform ist über Schnittstellen direkt mit dem klinischen Informationssystem sowie einer Task-Management-Applikation vernetzt.

Dezentral: Mitarbeiter von allen Stationen bringen Lösungsvorschläge ein

Die Adoption neuer RFID-basierter Prozessoptimierungen war ursprünglich ein Topdown- Prozess zentral gesteuert von der Krankenhausleitung. Heute finden Umsetzungen aber auch Bottom-up statt, ohne, dass eine zentrale Planungsphase vorangeht. Mitarbeiter aus Abteilungen oder Funktionseinheiten melden sich direkt im Tag-Lab des Krankenhauses, um beispielsweise Boxen in einem Bereich zu tracken, in denen häufig benötigtes Equipment gelagert wird. Diese Anwendung ist ausschließlich für eine bestimmte Applikation bestimmt.

„Der Bottom-up-Ansatz ist der eindeutige Beleg dafür, dass die Krankenhausmitarbeiter RFID und IoT als grundsätzlich verfügbaren Service betrachten – vergleichbar zu Wasser, Elektrizität und dem IT-Netzwerk. Dass war die Zielsetzung, aber es hat Jahre gebraucht, bis diese Wahrnehmung derart etabliert war. Die Investments in die Infrastruktur waren hoch. Aber das zahlt sich jetzt doppelt und dreifach aus. Die Infrastruktur performt absolut solide. Wir haben keine nennenswerten Ausfälle oder Notwendigkeit der Nacharbeit registriert. Natürlich kann einer der rund 3.600 verbauten Reader einen Defekt aufweisen. Aber die Fehlerrate ist nicht höher als bei den anderen Versorgungssystemen wie Strom, IT oder Wasser“, berichtet Lars Ganzhorn Knudsen.

OP-Management: +400 getaggte Case Carts

Der aktuellste Rollout in Aarhus ist die Optimierung des Logistikprozesses von Sterilgut mit getaggten Case Carts. Im Lager werden die Informationen des Trolley-Tags erfasst und im Anschluss mit den Einzel-IDs aller Instrumente via Barcode mit dem Case Cart verheiratet. Für sehr komplexe Operationen müssen bis zu sieben dieser OP-Trolleys zusammengestellt werden. Im virtuellen Einkaufskorb der Software ist exakt ersichtlich, welches Instrument sich in welchem Trolley befindet.

„Nur wenn diese Transparenz gegeben ist, ist die Handlungshoheit auf Seiten der Mitarbeiter. Sie können agieren. Beispielsweise den OP-Plan kurzfristig anpassen“, erläutert Lars Ganzhorn Knudsen. Das Verschieben der Case Carts in einen Übergabebereich triggert automatisch eine Nachricht im Task-Management-System für den Mitarbeiterkreis, der für den Transport der Trolleys zwischen den einzelnen Abteilungen und Bereichen verantwortlich ist.

'Soduko-Algorithmus'

Da jeder Mitarbeiterausweis mit einem UHF-Transponder ausgestattet ist, kann das System die Aufgabe an den nächsten befi ndlichen Mitarbeitern anzeigen. Gleichzeitig kann der OP-Mitarbeiter, der das Instrument bestellt hat, jederzeit den aktuellen Status einsehen: In welchem Bereich sind die Trolleys? Wer hat die Instrumente zusammengestellt? Wann sind sie in der OP-Schleuse? „Bevor die Case Carts in das RFID-Netzwerk integriert wurden, waren mehrere Telefonate notwendig, die heute eingespart werden können.

Das betrifft bereits die Buchung von Instrumenten für geplante OPs. Der vom IT-Team entwickelte 'Soduko-Algorithmus' aktualisiert permanent den Pool an verfügbaren Instrumenten.“ In Echtzeit haben OP-Planer Datenzugriff und können für exakte Tage und Uhrzeiten Case Carts buchen.

RFID-Tag aufbringen und das Objekt sofort digital im System erkennen

Ein Teil der über 350.000 getaggten Assets sind sämtliche im Krankenhaus befindliche Betten und Rollstühle. Dazu kommt eine wachsende Anzahl getaggter mobiler Medizingeräte. Wie flexibel das Krankenhaus auf neue Situationen und Anforderungen reagieren kann, zeigt ein Beispiel während der Covid-19-Pandemie. Das Universitätskrankenhaus wurde innerhalb kürzester Zeit von einem Allgemeinkrankenhaus zu einem „Corona-Krankenhaus“.

Alle geplanten, jedoch nicht lebensnotwendigen Operationen wurden verschoben, um Kapazitäten für die intensivmedizinische Betreuung von Covid-19-Patienten freizuhalten. Je nach Pandemie-Ausprägungsstufe stehen in Aarhus 74 Intensivbehandlungsplätze zur Verfügung. Um die Verfügbarkeit von Beatmungsgeräten sicherzustellen und alle Geräte umgehend lokalisieren zu können, wurden innerhalb eines Wochenendes 132 Geräte mit RFID-Labels getaggt. Über die bestehende RFID-Infrastruktur können die bestmögliche Verfügbarkeit und Auslastung sichergestellt werden.

Anonyme Ortung der Mitarbeiter während logistischer Aufgaben

Aus Datenschutzgründen setzt das Universitätskrankenhaus kein permanentes Tracking der Mitarbeiter während der Pilotierungsphase ein. Wegen des rückläufigen Anteils infizierter Patienten wurden die COVID-19-Betten auf die normale Kapazität in der Abteilung für Infektionskrankheiten reduziert. Nicht jeder Mitarbeiter ist während seiner Arbeitszeiten durchgängig sichtbar. Was logistische Prozesse angeht werden die Mitarbeiter allerdings getrackt.

Früher mussten verfügbare Mitarbeiter telefonisch angerufen werden, um sie mit Transporte auf dem Gelände oder von einer zur nächsten Station zu beauftragen. Heute wird der Transportauftrag im Task-Management-System fixiert, so dass alle verfügbaren Logistikmitarbeiter diesen Auftrag automatisch digital erhalten. Die Erfassung und Visualisierung der Mitarbeiter erfolgen anonym.

Verwechslung ausgeschlossen: Jeder Patient eindeutig identifizierbar

Einweg-Patientenarmbänder sind in der internationalen Krankenhauslandschaft weitverbreitet. In Aarhus erhält jeder Patient ein Armband, auf dem ein Barcode aufgedruckt ist. Die eindeutige Zuordnung sichert beispielsweise die Medikamentengabe ab. Verschreibt ein Arzt ein Medikament, wird diese Information in das klinische Informationssystem eingegeben. Eine Aufgabe im Task-Management wird erstellt. Diese triggert die Zusammenstellung der Medikamentenbestellung durch einen Komissionierroboter in der Krankenhausapotheke.

Per Rohrpost gelangen die Medikamente auf die entsprechende Station. Direkt auf der Station wird für den behandelnden Arzt oder die zuständige Pflegekraft ein neuer Task erstellt. Um diese Aufgabe im Management-System als erledigt zu kennzeichnen, meldet sich der Mitarbeiter an, scannt den Barcode am Medikament und danach den Barcode am Armband des Patienten per Smartphone ein. Die korrekte Zustellung und Verabreichung des Medikamentes werden sichergestellt und automatisch dokumentiert.

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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