Fraunhofer IIS

LPWAN-Standard MIOTY startet durch

Fraunhofer IIS bringt einen robusten LPWAN-Standard für das industrielle Internet der Dinge.

MIOTY ermöglicht „schlanken“ Hardware-Einsatz

Mit dem LPWAN-Standard MIOTY – eine orthographische Abwandlung von „my IoT“ – startet das Fraunhofer IIS durch. 2011 mit ersten Forschungsprojekten gestartet, nahm die Entwicklung 2015 mit dem Beginn der Standardisierung an Fahrt auf.

Seit 2016 werden MIOTY-Anwendungen in anspruchsvollen Einsatzgebieten wie dem Bergbau oder der metallverarbeitenden Industrie getestet. 2018 stehen der Abschluss des Standardisierungsprozesses und die Markteinführung bevor.

Josef Bernhard, Abteilungsleiter Energieautarke Funksysteme am Fraunhofer IIS, berichtet über die Features, Einsatzbereiche und Benefits des neuen Übertragungsformats.

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Fokus auf Reichweite, Robustheit, Laufzeit

2011 begann das Fraunhofer IIS mit der Entwicklung der MIOTY-Technologie als Übertragungsformat für Smart-Metering- Anwendungen. Daher standen zunächst die Reichweite und Batterielebensdauer der Übertragungstechnologie im Vordergrund, berichtet Josef Bernhard, Abteilungsleiter Energieautarke Funksysteme am Fraunhofer IIS:

„Normalerweise kann die Reichweite nur zu Lasten der Lebensdauer erhöht werden und umgekehrt, sodass das Verhältnis zwischen beiden Faktoren sorgfältig abgewogen werden muss. Mit MIOTY ist es uns gelungen, hohe Reichweiten mit langen Laufzeiten des Sensorknotens zu kombinieren.“

Know-how in der drahtlosen Kommunikation genutzt

Das Fraunhofer IIS verfügt über jahrelange Erfahrung mit drahtlosen Kommunikationssystemen wie Bluetooth, WLAN und RFID und Telemetriesystemen. Diese Erfahrung wurde bei der Entwicklung von MIOTY genutzt, insbesondere im Bereich der nachrichtentechnischen Verfahren wie der Kanalcodierung.

„Je kürzer die Übertragung, desto höher die Lebensdauer der Batterie und desto geringer die Störanfälligkeit – eine wichtige Eigenschaft für LPWAN, da das verwendete Spektrum lizenzfrei ist und mit anderen Quellen geteilt wird“, so Josef Bernhard.

Teilen der Übertragung erhöht Sicherheit

Aktuelle LPWAN Systeme benötigen zum Erzielen einer hohen Reichweite eine Sendedauer von einer Sekunde und mehr. MIOTY benötigt dafür weniger als 400 Millisekunden. Hier setzen die Wissenschaftler des Fraunhofer IIS an, erklärt Josef Bernhard:

„Die größte Innovation ist das ‚Zerhacken‘ der Übertragung in kleine Datenpakete. Diese werden mit kurzen Sendepausen nacheinander übertragen. Obwohl die Gesamtdauer der Übertragung durch die Pausen etwa auf das Zehnfache steigt, sinken der Energieverbrauch und die Anfälligkeit für Störungen. Durch Kanalcodierung können bis zu 50 Prozent der Pakete gestört werden und trotzdem kann die Nachricht immer noch komplett rekonstruiert und gelesen werden.“

Über 10 Jahre Laufzeit

Der Grund für den geringeren Energieverbrauch liegt in den Spezifikationen der typischerweise für LPWAN-Geräte verwendeten Batterien. Josef Bernhard erläutert:

„Batterien, die für lange Laufzeiten konzipiert wurden, haben einen hohen Innenwiderstand und eine geringe Strombelastung. Sie sind dadurch eher für kurze Pulsübertragungen ausgelegt. Normalerweise wird diese Herausforderung über einen nachgeschalteten Kondensator gelöst, um die Lebensdauer zu verbessern. Die Aufteilung in kurze Pakete mit Übertragungspausen erlaubt dem Kondensator, sich zwischendurch zu ‚regenerieren‘ – und optimiert so die Lebensdauer der Batterie. Dadurch erreichen wir problemlos Laufzeiten von über zehn Jahren.“

Optimiert für IoT-Anwendungen

Ein Standardtelegramm mit 10 Byte Nutzdaten beispielsweise wird durch MIOTY in 24 kleinere Telegramme geteilt, die innerhalb von etwa vier Sekunden komplett übertragen werden. „Diese Übertragungsdauer stellt für zahlreiche IoT-Anwendungen kein Problem dar“, so der Projektleiter, „Wenn eine Monitoring-Anwendung in Smart Metering oder der Industrie lediglich vier Mal pro Tag Sensordaten überträgt, ist diese Latenz akzeptabel. In diesen Anwendungen ist wesentlich entscheidender, dass die Übertragung robust gegenüber Störungen ist, sowohl fremden als auch eigenen.“

Diese Unempfindlichkeit auch gegenüber eigenen Signalen ermöglicht eine hohe Skalierbarkeit: MIOTY-Netze können hunderttausende unabhängige Geräte enthalten, ohne deren Übertragungen koordinieren zu müssen.

Viele Chipsätze können verwendet werden

Im Unterschied zu anderen LPWANFormaten können für MIOTY verfügbare Sub-GHz Funkchips verwendet werden.

„MIOTY basiert eher auf Software als auf Hardware,“ erklärt Josef Bernhard. „Die Basisstation enthält Software- und Hardware- Know-How gleichermaßen. Das physikalische Signal wird von einem Empfänger aufgenommen und im IoT Gateway mit einer Software geeignet verarbeitet. Die Hardware besteht aus Standardgeräten. Fraunhofer kooperiert mit Partnern, um standardisierte Basisstationen für MIOTY als Produkt an den Markt zu bringen. Am Ende der Entwicklung stünde möglicherweise eine Art ‚Fritzbox‘ für Smart-Home- Anwendungen.“

Marktreife ist 2018 mit Standardisierung erreicht

Gemeinsam mit Industriepartnern und Anwendern führt das Fraunhofer IIS bereits seit Ende 2016 Feldtests mit MIOTY durch. 2018 erreicht das Übertragungsformat mit der Standardisierung die Marktreife, so der Forscher: „Der Standardisierungsprozess ist abgeschlossen und die Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht. Der Standard garantiert Nutzen und Nachhaltigkeit für ihre Technologieinvestitionen. Seit diesem Jahr vertreiben zudem Lizenznehmer die Technologie und beflügeln so das Durchstarten von MIOTY.“

Erfolgreicher Feldtest unter Tage

Gemeinsam mit einem kanadischen Partnerunternehmen führte das Fraunhofer IIS erfolgreiche Tests von MIOTY unter Tage durch. Dabei wurde das Übertragungsformat eingesetzt, um neue Sensoren zur Messung der Luftqualität zu verbinden, so Josef Bernhard: „Die Belüftung ist im heutigen Bergbau der größte individuelle Kostenfaktor – insbesondere, da Minen tiefer und komplexer werden. Die Luftqualität in der gesamten Mine überwachen zu können, erlaubt den gezielten Luftaustausch in einzelnen Abschnitten. Dazu erfassen Sensoren den Sauerstoff- und Kohlenmonoxidgehalt an allen Messpunkten.“

MIOTY ermöglicht „schlanken“ Hardware-Einsatz

Bislang wird meist WLAN dazu verwendet, drahtlose Sensoren in der Mine zu verbinden.

„Durch die eingeschränkte Reichweite müssen dazu etwa alle 50 Meter WLANAccess- Points platziert und über Kabel verbunden werden. Da Kabel im Minenbetrieb leicht durchtrennt werden können, benötigen Betreiber performante Wireless- Technologie. Mit MIOTY ersetzen zwei Basisstationen eine Vielzahl an WLAN-Access- Points – ein wesentlicher Vorteil für die Prozesse unter Tage, aber auch für Lösungen in Industriesektoren wie Energie, Öl und Gas, Automotive oder Metall. Auch Hardware- und Installationskosten werden reduziert“, erklärt der Funk-Experte des Fraunhofer IIS.

IoT-Anschluss für die gesamte Versorgungsstruktur

Im Smart-Metering eröffnen LPWAN-Technologien durch lange Lebensdauer und hohe Reichweiten neue Anwendungen. Noch nicht alle Assets in der Versorgungsstruktur sind heute vernetzt. Durch MIOTY können sie ohne Umwege in das IoT eingebunden werden: „Versorger und Infrastrukturbetreiber, wie etwa Stadtwerke, besitzen ein Interesse daran, eigene Campusnetzwerke aufzubauen, um für IoT-Anwendungen nicht auf öffentliche Netzwerke setzen zu müssen. Nicht nur für Strom, Gas und Wasser – sondern auch für weitere Anwendungen wie etwa eine bedarfsorientierte Müllabfuhr“, so Josef Bernhard.

Wohin steuert LPWAN?

Nicht nur das Forschungsinstitut sieht LPWAN als Zukunftstechnologie. Auch Mobilfunkbetreiber bieten Netzwerke an, in denen verschiedenen Anwendungen betrieben werden können.

„Mobilfunkbetreiber setzen bislang auf lizenzfreie Technologien wie LoRaWAN. Wie man am Beispiel des NB-IoT-Netzes der Telekom jedoch sieht, ändert sich dies gerade. Bei Interesse können Mobilfunkbetreiber natürlich auch MIOTY nutzen“, sagt Josef Bernhard. „LPWAN ist eine Technologie mit vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten. Der Markt ist groß genug für unterschiedliche Technologien mit unterschiedlichen Stärken.“

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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