1. Dr. Hahn, Sie und Ihre Arbeitsgruppe stellen Mikrobatterien her. Wie groß ist das Spektrum der Anwendungen für diese Kleinstbatterien?
Es ist tatsächlich noch gar nicht so groß. Unsere Batterien sind ungefähr 1x1 mm oder 0,5x2 mm groß, also wirklich sehr klein. Sie können nur mit wenigen Mikroampere belastet werden, kurzzeitig vielleicht 50 μA. Und für diesen Bereich gibt es noch nicht so viele Anwendungen.
2. Woran liegt das?
Es gibt tatsächlich heutzutage kaum Chips, die mit einem so geringem Strombedarf auskommen. Wir sind nach unserem Selbstverständnis Vorreiter in der Batterieentwicklung, aber damit derzeit bezüglich der Anwendung auch größtenteils auf den Bereich der Forschung beschränkt.
Anderen Forschungsinstituten und größeren Unternehmen, die Forschung betreiben, geht es genauso. Sie beauftragen uns mit Batterieentwicklungen für ihre eigene Forschung und bereiten sich auf zukünftige Anwendungen in großer Stückzahl vor. Bisher produzieren wir kleine Stückzahlen für sehr interessante Anwendungsfälle.
3. Welches Projekt, für das eine Ihrer Batterien verwendet wird, begeistert Sie am meisten?
Das ist sicherlich Sens4Bee, das Verbundprojekt mit dem Helmholtz- Zentrum für Umweltforschung in Leipzig und der Firma Micro Sensys in Erfurt. Dabei werden Bienen mit einem Datenrucksack versehen, in den neben einem RFID-Tag auch Sensoren und unsere Batterie integriert ist. Die Bienen generieren beim Umherfliegen Daten, die Rückschlüsse über die Auswirkungen des Klimawandels und der intensiven Landwirtschaft auf sie zulassen und uns helfen, das Bienensterben zu verstehen und letztlich zu verhindern.
4. Konnten Sie dafür eine vorliegende Batterie benutzen oder mussten Sie Änderungen vornehmen, beispielsweise wegen des Gewichts der Batterie auf der Biene?
Der Elektronik- Rucksack wiegt ungefähr 10 mg. Das macht der Biene nichts aus und stört sie laut Aussagen der Experten auch nicht in ihrem Verhalten. Bienen haben keinen eigenen Gewichtssinn. Sie können maximal ca. 60 mg Nektar einsammeln, und das tun sie auch mit Elektronikrucksack.
Allerdings haben wir für Sens4Bee Änderungen an einer bestehenden Batterie vorgenommen. Denn normalerweise ist das Batteriegehäuse metallisiert, was sich auf die Funktion der Antennen-Spule, die Teil des Systems ist, sehr ungünstig auswirkt. Deswegen haben wir die Batterie für dieses Projekt nicht ganzflächig metallisiert, sondern nur ringsherum im Bereich der eigentlichen Fügestelle. Die Batterie wird mit mehreren, in Reihe geschalteten Solarzellen aufgeladen. Deshalb haben wir Batterieelektrodenmaterialien verwendet, die zu einer niedrigen Nennspannung führen. Die normale Batteriespannung von 4 Volt wäre hier einfach zu hoch, und dann hätten wir einen Spannungswandler gebraucht. So kommen wir ohne aus.
5. Wie wirken sich spezifische Änderungen an einer Batterie für ein Projekt auf die Preisgestaltung aus?
Eher ungünstig. Je kleiner die Stückzahlen, die wir herstellen, desto teurer ist die einzelne Batterie. Wir liegen beispielsweise mit den Batterien für Hörgeräte bei circa 10 Euro. Das ist wohl noch akzeptabel, aber es gibt Anwendungen, für die ist das einfach zu viel. Deswegen forschen wir fortwährend an Möglichkeiten, wie wir Mikrobatterien preiswerter produzieren können. Neben unseren ständigen Bemühungen, die neuesten Aktivmaterialien für unsere Technologie zu qualifizieren, ist das ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit.
6. Nehmen Sie uns doch mal kurz mit in Ihren Arbeitsalltag: An welchen Materialien forschen Sie und warum?
Es gibt Materialien mit höherer Energiedichte, so dass die Energiemenge im gleichen Volumen steigt. Das bedeutet: die Batterie wird kleiner bei gleichbleibender oder steigender Leistung. Solche Materialien möchten wir gern verwenden. Ein sehr geeignetes Material in der Hinsicht ist metallisches Lithium. Wir würden es gern für die Anode nutzen, weil es die höchste Energiedichte hat.
Die Schwierigkeit dabei ist jedoch das Wiederaufladen, denn beim Entladen entstehen Dendriten. Sie sind eines der größten Probleme bei der Zuverlässigkeit von Akkus. Dendriten sind schmale Metallnadeln, die beim Aufladen am Minuspol wachsen und schließlich den Separator durchdringen und zu einem Kurzschluss führen.
Lithium ist eben sehr reaktiv. In Zusammenhang mit Festkörperelektrolyten könnte es mit metallischem Lithium aber funktionieren, denn da kann das Dendritenwachstum besser unterdrückt werden. Der Innenwiderstand von Festkörperbatterien ist insbesondere bei Raumtemperatur oder tieferen Temperaturen aber noch deutlich höher als bei Batterien mit Flüssigelektrolyt. Dadurch ist die Stromleitfähigkeit für viele Anwendungen nicht ausreichend. Eine geringere Energiedichte, aber dafür ein hohe Stabilität über viele tausend Zyklen besitzt hingegen Lithiumtitanat, welches wir auch oft als negative Elektrode einsetzen.
7. Das hört sich so an, als müssten Sie bei jeder Anwendung für eine Ihrer Batterien den genau richtigen Kompromiss zwischen Energiedichte, Leitfähigkeit und Stabilität der Aktivmaterialien finden.
Ja, so ist es auch. Lithiumtitanat beispielsweise, um dabei zu bleiben, bleibt stabil bei Tiefentladungen. Für den Einsatz im Insektenmonitoring ist das besonders günstig, und da verwenden wir es auch. Die Batterie im Bienenprojekt Sens4Bee lädt sich zwar über eine Solarzelle auf, aber bei Bewölkung funktioniert das vielleicht mehrere Tage hintereinander nicht. Eine Lithium-Ionen-Batterie mit Graphit als negative Elektrode würde dann kaputtgehen, während eine Lithiumtitanat-Batterie einige Tage bei 0 Volt Spannung übersteht. Für Sensoranwendungen, bei denen man nicht alles unter Kontrolle hat, ist das ist ein spezieller Vorteil. Es gibt eben nicht eine Batterie für jede Lösung. Man muss bei jedem Anwendungsfall abwägen.
8. Wie schätzen Sie die zukünftige Nachfrage nach Mikrobatterien ein?
Sie wird sicherlich steigen. Es gibt gegenwärtig große Bestrebungen, den Energiebedarf der Elektronik herabzusetzen. Wir sehen einen ständig steigenden Strombedarf durch das Internet, IoT durch Daten- bzw. Rechenzentren. Immer mehr Geräte funktionieren mit integrierten Schaltkreisen. Deswegen gibt es umfangreiche Forschungsprogramme für Chips, die weniger Energie verbrauchen. Wenn diese Chip-Technologie mit deutlich verringertem Strombedarf kommt, lassen sich auch immer mehr Anwendungen entwickeln, für die das Energiebudget unserer kleinen Batterie ausreicht.
Vielen Dank!