IATA

UHF-RFID am Koffer hebt ab zu einem Höhenflug

Die IATA Resolution 753 macht den Weg frei für ein großflächiges Baggage-Tracking via UHF-RFID – Erste Lösungsansätze haben das Potenzial, den Personenflugverkehr nachhaltig zu verändern.

Die IATA Resolution 753 stößt eine RFID-Revolution im Flugverkehr an

Mit 290 Fluggesellschaften vertritt die IATA insgesamt 83 Prozent aller Airlines weltweit. Nun hat der Branchenverband es sich zum Ziel gesetzt, mithilfe einer Resolution in kürzester Zeit ein flächendeckendes, RFID-basiertes Trackingsystem für Fluggepäck bei den Mitgliedern anzustoßen. Dabei stellt der Verband zahlreiche Vorteile für Flughäfen, -gesellschaften und -passagiere in Aussicht.

Im Interview mit RFID im Blick erläutert Andrew Price, Head of Global Baggage Operations bei IATA, warum sich die Flugindustrie die großflächige Installierung von RFID-Tags zum Ziel gesetzt hat, welche positiven Auswirkungen der weltweite Übergang hat und welche Standards und Hardware in welchem Maße nötig sind, um die Industrie-Roll-out- Ziele zu erfüllen.

Herr Price, weshalb hat sich die IATA dazu entschlossen, der Herausforderung einer Reduzierung von fehlgeleitetem Gepäck jetzt mit RFID-Lösungen zu begegnen?

Die Fluglinien verfügen bereits über Erfahrungen mit RFID – seit 1991 haben sie die Technologie bereits in zahlreichen Anwendungsfeldern getestet. Die aktuelle Herausforderung zielt auch nicht nur auf fehlgeleitetes Gepäck ab. Die Zahlen befinden sich auf einem absoluten Allzeit-Tief – gerade einmal 5,53 Gepäckstücke pro 1.000 Passagiere werden fehlerhaft im Prozess behandelt. 99,5 Prozent der Koffer kommen somit erfolgreich am Ende des Fluges gemeinsam mit dem Passgier am Ziel an.

Die zentrale Herausforderung heute ist vielmehr die Verfolgung des Gepäcks, und vor allem, wie dieses Tracking erfolgreich automatisiert werden kann. RFID ist eine Tracking-Technologie, die sich bereits in zahlreichen Anwendungsfällen in unterschiedlichen Industrien bewährt hat. Im Vergleich mit anderen technologischen Möglichkeiten ist es die einzige Lösung, die kurzfristig kosteneffektiv umsetzbar ist.

Wie soll der RFID-Tracking-Prozess gemäß IATA Resolution 753 in das Gepäckhandling implementiert werden?

Alle Beteiligten der Industrie arbeiten an der Entwicklung eines globalen Implementationsplans für die empfohlene Einführung von RFID-Inlays in alle Baggage-Tags, die nach Januar 2020 hergestellt werden. Damit soll erreicht werden, den Erwartungen der Passagiere hinsichtlich eines Real-Time-Tracking ihres Gepäcks nachzukommen.

Sobald RFID-Baggage-Tags eingesetzt werden, können die Gepäckstücke an den vier in Resolution 753 spezifizierten Punkten in der Transportkette identifiziert werden. Die Industrie ist aufgefordert, sich auf diese Veränderung vorbereiten: Angefangen bei den Flughäfen, die Reader- Infrastruktur installieren müssen, bis zu den Zulieferern, die sich für die Entwicklung ihrer Produkte mit den IATA-RFID-Standards vertraut machen müssen.

Welche speziellen, technischen Standards müssen beim Einsatz von RFID-Technologie im Umfeld der Flugindustrie beachtet werden? In welchen Aspekten müssen Technologiehersteller ihre Produkte optimieren, um den Standards zu entsprechen?

Eine der großen Herausforderung in der Luftfahrt ist immer die globale verteilte Industrie. Das bedeutet, dass eine große Anzahl an Zulieferern weltweit beteiligt sind mit der Folge, dass die Qualität der Produkte mitunter stark variieren kann. Hinzu kommen die uneinheitlichen gesetzlichen Regelungen zur Nutzung von unterschiedlichen Frequenzbändern in den Ländern weltweit.

In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise deutlich, dass ein einheitlicher Inlay-Performanz-Test dringend notwendig ist, um einen Mindeststandard zu gewährleisten. Dieser Standard ist heute Teil der IATA-Richtlinien für RFID-Anwendungen.

Für einen globalen RFID-Roll-out müssen jedoch nicht nur Airlines investieren. Welche anderen Parteien werden sich mit der Implementation neuer Technologien befassen müssen?

Das ist eine gute Frage, die Antwort variiert je nachdem wo die Installationen gemacht werden. Es gibt nicht einen, weltweit identisches Entwurf eines Flughafens, der von sämtlichen Fluggesellschaften genutzt wird. Deshalb lässt sich nicht pauschal sagen, dass die Flughäfen in einen bestimmten Aspekt investieren müssten und die Bodenabfertigung in einen anderen.

Exakt dies ist der Grund, weshalb unsere erste Frage an die Industrie in einer frühen Umfrage war: „Wie sehen Ihre RFID-Planungen aus? Wie weit ist Ihr Adaptionsprozess vorangeschritten?“ Die IATA arbeitet im kommenden Jahr weiterhin eng mit der Industrie zusammen, um jeden Flughafen und jede Fluggesellschaft beim Aufbau des benötigten Know-how zu unterstützen, um bestmögliche, RFID-basierte Lösungen umzusetzen.

Ein derartig groß angelegter Roll-Out erfordert umfassende Investitionen von allen beteiligten Parteien. Einige Akteure sind vielleicht nicht in der Lage, die benötigten Summen zu investieren. Wie wird die IATA dabei unterstützen, diese Herausforderung zu lösen – insbesondere für kleine Airlines oder Länder mit sich noch entwickelnden Wirtschaften?

Die Vorteile des automatisierten Baggage Trackings gehen weit über die Reduzierung fehlgeleiteten Gepäcks hinaus, auch wenn dieser Aspekt selbstverständlich ein Teil der aktuellen Bemühungen ist. Die Vorteile des RFID-Einsatzes schließen ein optimiertes Gepäckmanagement auf dem Flughafen mit ein. Hinzu kommen ein Schritt in Richtung eines proaktiven Gepäckhandlings, eine verbesserte Visualisierung operationaler Prozesse für die Airlines sowie eine Erhöhung der Prozesseffizienz.

Eine der größten Herausforderungen für die Fluggesellschaften sind die Kosten für die hohen Volumina der benötigten RFID-Baggage-Tags. Um in diesem Bereich zu einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz zu gelangen, kann die IATA unterstützen. Wir haben ein Programm für eine Einkaufskooperation begründet, sodass auch kleine Airlines von Rabatten bei Massenbestellungen profitieren können.

Wir wollen mit branchenweit akzeptierten Standards unterstützen, die Zusammenarbeit zwischen den Airlines zu vereinfachen und gemeinsame Potenziale für alle Beteiligten zu heben. Was wir auf jeden Fall verhindern wollen, ist, dass die Umsetzung für eines unserer Mitglieder zu einer nicht zu leistenden Belastung wird. Wenn ein IATA-Mitglied die Standards heute noch nicht erfüllen kann, arbeiten wir gemeinsam daran, dass dies morgen möglich ist.

Wie wird der RFID-Roll-out realisiert?

Schrittweise! Wir erwarten, dass alle Fluggesellschaften damit starten, einen Vorrat an RFID-Baggage-Labeln anzulegen, nachdem die Anual General Meeting (AGM) Resolution der IATA verabschiedet wird. Aber offensichtlich braucht es zunächst die Flughafen-Infrastruktur, um den Roll-out ins Laufen zu bringen. Wir arbeiten momentan an den Übergangsplänen für die Industrie und werden Unterstützungsprogramme präsentieren. Diese Programme sind aktuell in der Entstehung.

Wie weitreichend werden die von der IATA gesetzten Standards sein und wie frei sind die IATA-Mitglieder bei der Auswahl von RFID-Hardware und Integrationspartnern?

Die IATA-Standards geben lediglich die zu nutzende Technologie Rain RFID sowie die auf den Tags gespeicherte Datenstruktur vor. Damit soll sichergestellt werden, dass die Baggage-Tags überall auf der Welt erfasst und die gespeicherten Informationen gelesen werden können. Wir werden auch Standards für die gemeinsame Nutzung von Daten festsetzen sowie die Formate der Informationsverteilung über den Gepäckversand.

Welche Systeme von den Beteiligten angeschafft und wie sie installiert und genutzt werden, bleibt allen Unternehmen der Branche selbstverständlich völlig frei überlassen.

Wie sieht der Zeitplan für die Implementation aus – welche Meilensteine will die IATA setzen?

Der bisher einzige vorgesehene Meilenstein ist die Verabschiedung der nächsten AGM Resolution, die im Juni 2019 erwartet wird. Diese Resolution wird voraussichtlich im Januar 2020 inkrafttreten, und wird detaillierte Empfehlungen für den Übergang zu einem RFID-basiertem Tracking enthalten. Dies gilt auch für das Monitoring, damit der Industrie der Übergangsprozess vollkommen bewusst wird und er so transparent wie möglich gestaltet ist.

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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