Kathrein Solutions

Interview mit Thomas Brunner, CEO, Kathrein Solutions

INTERVIEW MIT THOMAS BRUNNER
Interview

Rückblick auf 2022 und Ausblick auf 2023

Im Gespräch mit RFID im Blick erzählt Thomas Brunner, wie das Jahr 2022 für Kathrein Solutions war, wie deutsche Unternehmen umdenken müssen, um Resilienz in schweren Zeiten aufzubauen, welche neuen Produkte es 2023 geben wird und welches neue Alleinstellungsmerkmal Kathrein Solutions demnächst haben wird.

Thomas Brunner ist Managing Director bei der Kathrein Solutions GmbH. Er hat seit 1999 in den verschiedensten Bereichen der Kathrein Group gearbeitet und ist gesuchter Experte für Lösungen im Bereich RFID, AutoID und IoT Solutions.

Die Kathrein Solutions GmbH und ihre Integrationspartner bieten Turnkey-AutoID-Lösungen einschließlich Hardware, Software, Dienstleistungen und Support.

Brunner: Das erste Quartal des Jahres war sehr gut. Nach zwei Pandemiejahren ist eine Art von Normalität zurückgekehrt. Das Investitionsklima war zu Jahresbeginn in der Automobilindustrie zwar immer noch verhalten und viele Lieferprozesse standen auf dem Prüfstand, aber ich hatte die Annahme, dass sich das im Laufe des Jahres 2022 ändern würde. Durch den Krieg in der Ukraine hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt.

Erstens hat der Krieg zur Unsicherheit in den Führungsebenen der Unternehmen geführt und daher wiederum zu einem Investitionsrückgang. Zweitens kommt es durch die Energiekrise zu Verzögerungen in der Umsetzung von Projekten. In vielen Ländern sind die Budgets der Regierungen geschmolzen, denn sie sind gezwungen "teure" Energie einzukaufen.

Mautsysteme in Asien und Südamerika beispielsweise werden nur schleppend erweitert. In Ägypten z. B. wird aktuell eher in Getreide und andere überlebenswichtige Güter investiert. Trotzdem ist der Bedarf an Digitalisierung immer noch hoch. Sobald sich die Energiekosten normalisieren, wird meiner Ansicht nach auch die Konjunktur wieder anziehen.

Nicht so stark wie 2021. Als Elektronikhersteller ist Kathrein Solutions nicht extrem auf Öl und Gas angewiesen. Wir sind in erster Linie von elektronischen Bauelementen wie Halbleitern und Leiterplatten abhängig, und in diesem Markt hat sich die Lage verbessert. Die Wartezeiten für Halbleiter sind von 40 Wochen Wartezeit auf 15 Wochen gesunken, Tendenz fallend. Die Halbleiterknappheit hat uns in 2022 generell weniger betroffen. Kathrein Solutions hat einen sehr leistungsfähigen Einkauf, der auf Bevorratung achtet.

Wir konnten deswegen in den letzten drei Jahren immer gut liefern. Phasenweise ist die Lieferzeit zwar von drei Wochen auf sechs Wochen gestiegen. Aber die Produktion aller Teile im Werk in Chemnitz konnte weiterlaufen.

Der Status Quo nach einer circa 20-jährigen Entwicklung ist, das mehr als zwei Drittel aller Halbleiter in Asien produziert werden. Die größten Chipfabriken liegen dort, gefolgt von den USA. Die USA, Europa und Japan sind zwar technologisch führend bei der Entwicklung und der Fertigungstechnik für Halbleiter-Komponenten, aus Kostengründen liegen die Produktionswerke aber in erster Linie in Asien, mit möglichen fatalen Folgen für unsere Lieferketten, wenn der Konflikt zwischen China und dem vom Westen unterstützen Taiwan an Schärfe zunimmt.

Bei Elektronik-Leiterplatten ist die Situation noch fataler. Nahezu die gesamte globale Fertigungskapazität liegt in China und Asien. In Europa und USA gibt es nur Kapazitäten für Rüstung und Medizintechnik. Durch den laufenden Handelskrieg der USA mit China ist Taiwan und Korea keine sichere Bezugsquelle mehr. In Europa und USA gibt es für Halbleiter und Leiterplatten schlicht zu wenig Fertigungskapazitäten.

Sie müssen erkennen, dass der grenzenlose Welthandel auch Risiken mit sich bringt. Es ist deswegen ratsam, Bauteile zu lagern und Sicherheitsvorräte aufzubauen. Die Fertigung zu verlagern ist auch eine gute Idee. In die EU zum Beispiel, aber das lässt sich nur langsam umsetzen. Halbleiterkapazitäten kann man leider auch nicht so schnell aufbauen.

Aber ein Umdenken in all diese Richtungen findet statt, und das ist gut. Die Unternehmen sind zum Glück flexibler in der Umstellung geworden. Wir müssen in Zukunft Abhängigkeiten wie bei der Energiewirtschaft vermeiden und für die wichtigsten Komponenten der Fertigung klassischerweise wenigstens zwei Lieferanten haben. Das war früher üblich, aber dann ging die Branche zum Single-source-Modell über. Das machte solange Sinn, wie Komponenten in einer bestimmten Ausführung nur bei einem Hersteller verfügbar waren. Bei Mikrokontrollern war das beispielsweise so. Früher gab es sehr wenige Hersteller und Typen, aber der Markt hat sich sehr diversifiziert. Vergleichbare Mikrokontroller sind jetzt bei mehreren Herstellern in gleicher Qualität zu beziehen.

Kathrein Solutions hat die gesamte Fertigung in seinem Werk bei Chemnitz in Sachsen organisiert. Außerdem versuchen wir immer, zwei Lieferanten für systemisch wichtige Komponenten an uns zu binden.

Wir sehen deutlich, dass unsere Infrastruktur vor Bedrohungen und Beschädigungen aus dem In- und Ausland nicht ausreichend geschützt ist. Dem Schutz der Infrastruktur muss in Zukunft ein höherer Wert zukommen. Die Deutsche Bahn hat das schon implementiert: sie hat einen Beauftragten für Kritische Infrastruktur, der im Vorstand ein absolutes Veto-Recht hat. Das Bundesinnenministerium hat den Gemeinsamen Koordinierungsstab „Kritische Infrastruktur“ (GEKKIS) ins Leben gerufen.

Der Schutz von öffentlichen Räumen beispielsweise mit Überwachungskameras wird wichtiger werden. Autarkie in der Energieversorgung ist ebenfalls wichtig. In Deutschland sind wir in diesem Punkt wegen des hohen Anteils der erneuerbaren Energien schon weit gekommen. Wir brauchen jedoch noch mehr Lösungen zur Verteilung der Energie, die im Norden per Windkraft und Süden mit PV-Anlagen generiert wird, aber vielleicht im jeweils anderen Teil des Landes benötigt wird.

Neue TRENDS und PRODUKTE im RFID-Bereich

Brunner: Die großen Trends betreffen UWB. Seit 2019 sind iPhones und Samsung-Smartphones mit einem UWB-Chip ausgestattet. Seitdem sind UWB-Chips viel preiswerter geworden. Anwendungen mit UWB gibt es jetzt schon für Smart Homes und Smart Cars, und es werden immer mehr werden. Im Bereich der Industrie und Logistik sehen wir ein sehr großes Anwendungsfeld für UWB, aber auch autonome oder teilautonome Fahrzeuge profitieren von modernen UWB Technologie. Kathrein ist in diesem Feld seit 2019 mit großem Aufwand unterwegs.

Im ersten Quartal 2023 werden wir erstmals einen Reader präsentieren, der weltweit eingesetzt werden kann. Das ist eine absolute Innovation. Er kann in Europa und vielen anderen Ländern sowohl auf dem Low -und dem High-Band eingesetzt werden, es gibt keine Hardwarevariante mehr. Das Gerät wird einfach per Software in die verschiedenen Bänder geschaltet. In der Vergangenheit war für die jeweiligen Bänder eine eigene Hardware Variante notwendig. Damit ist nun Schluss. RRU1400 und ARU2401 verfügen über dieses Feature.

Unsere RFID-Systeme werden außerdem sicherer. Kathrein Solutions hatte als einer der ersten RFID-Lösungsanbieter in das RFID-System auch immer einen leistungsfähigen Industriecomputer mit einem Linux-Betriebssystem integriert, um nicht nur Transponder zu lesen, sondern auch gleich die Auswertung der Rohdaten dezentral auf dem Reader vorzunehmen.

Der Reader kann daher gleich an die Netzwerkdose angeschlossen werden; ein zusätzlicher Computer ist nicht notwendig. Wenn ein Reader dann aber an ein Netzwerk eines großen Unternehmens angeschlossen wird, muss er die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen wie ein Windows- oder Apple Rechner. Alle Standards, die es für die zeitgemäße und sichere Netzwerkkommunikation gibt, halten wir hier vor, und unsere Reader können ohne Zusatzaufwand direkt integriert werden. Neu ist, dass wir bei sicherheitsrelevanten Anwendungen immer öfter sogenannte High-Secure-Transponder einsetzen, welche über eine hochverschlüsselte Luftschnittstellenkommunikation angesprochen werden.

Früher wurde der Authentifizierungsschlüssel direkt auf dem Reader selbst abgelegt. Dort kann er gefunden und das gesamte System kompromittiert werden. Im neuen Reader RRU 7700 haben wir einen sicheren Speicherplatz, den sogenannten HSM High Secure Memory, integriert, den man als Speichertresor bezeichnen kann. Es lassen sich in diesem Speicherbereich hochsicher und dezentral Schlüssel abspeichern.

Desweiteren ist es wichtig, einen Weg zu finden, um den Schlüssel aus einem Backend-System in den Reader zu übertragen. Das erfolgt über das Netzwerk und einer verschlüsselten und sicheren Verbindung. In vielen Anwendungen müssen auch die Schlüssel in Echtzeit und sehr schnell bereitgestellt werden, weil wir es da mit fahrenden Objekten zu tun haben.

Dafür haben wir jetzt die gesamte Software- und Hardware-Architektur bei uns optimiert. Unsere RFID-Systeme können verschiedene Schlüssel mit hoher Sicherheit und bei Geschwindigkeiten über 200 km/h verarbeiten. Sie speichern alles sicher ab und die die Kommunikation zum Transponder ist auch hochsicher. Das neue Gerät steht gerade kurz vor einem großen Roll-out in einer Maut-Infrastruktur in Middle East.

Generell sind für Geräte, die in der kritischen Infrastruktur eingesetzt werden, die Sicherheitsanforderungen gestiegen. Die Straßen und Gleise sollen besser geschützt werden. Wir sind da sehr gut aufgestellt, weil wir es in den Maut-Systemen immer schon mit der Anbindung auch an Payment- oder Government-Systemen zu tun hatten, und da sind die Sicherheitsanforderungen natürlich hoch.

Ja, auf jeden Fall. In 18 Monaten kommt die vierte Generation der Reader-Plattform mit massiv reduziertem Energieverbrauch auf den Markt. Das hat einen großen Effekt auf die Energiekosten bei unseren Kunden, und mit Energie muss man sparsam umgehen. Das war Kathrein Solutions schon immer wichtig. Deswegen befinden sich an allen Standorten große PV-Anlagen auf den Dächern.

Ein großer Teil der Firmenwagenflotte ist elektrifiziert und alle Mitarbeiter können ihre Autos auf dem Firmengelände laden, so dass auch Mitarbeiter, die zu Hause keinen Zugang zu einer Ladesäule haben, auf ein E-Auto umsteigen können. Ein wichtiges Vorbild bei der E-Mobilität ist sicher die Geschäftsführung, die zuerst auf E-Autos umgestiegen ist.

Neue Lösungen

Brunner: Smart City-Anwendungen gehören für uns von jeher in den Bereich Intelligent Transportation Systems (ITS), weil es hier sehr häufig zu Interaktionen mit anderen Funktionen kommt. Wir hatten Projekte, wo ein Transponder für Maut, Fahrzeugregistrierung und Parking genutzt wurde. In Afrika haben wir ein Maut-Projekt, wo mit dem Transponder zusätzlich das Bezahlen an der Tankstelle erfolgt.

Nur zur Erklärung: bei PKWs sitzt der Transponder an der Windschutzscheibe, bei LKWs gibt es aufgrund der Länge des Fahrzeugs wenigstens einen zusätzlichen Transponder am Tank. Hier sind wir sehr gut aufgestellt. Die Steuerung von Verkehrsflüssen und Ampelanlagen gehören auch zu unserem Kompetenzbereich.

Ja, durchaus. Wir statten derzeit Waggons mit dual frequency-Transpondern von einem unserer Partner aus. Sie werden an den Fahrgestellen von Zügen und Waggons an bestehenden Verschraubpunkten angebracht und sehen aus wie eine Hängemarke aus Edelstahl. Der Vorteil ist, dass sie sowohl UHF als auch NFC-fähig sind. Das bedeutet, das Personal kann ein Diensthandy benutzen, um die ID der Transponder auszulesen.

Ja. Wir haben eine Identifikationslösung für eine induktive Hochleistungsladestation für Busse im öffentlichen Nahverkehr entwickelt. Innerhalb von zwei Minuten lädt sie die Batterie eines Busses auf. Der Nachteil ist, dass sie 20 Sekunden braucht, um hochzufahren. Um Wartezeiten zu vermeiden, wird der Bus mit RFID schon wenige hundert Meter vor der Ladestation identifiziert. Die Ladestation fährt hoch und ist schon im Standby, wenn der Bus an der Haltestelle eintrifft. Während des Ein- und Aussteigens wird induktiv geladen. Das Aufladen funktioniert natürlich auch mit Oberleitungsabgriffen. In einem anderen Projekt werden über Oberleitungsabgriffe die Busse in der Nacht im Deport geladen.

Wir bieten schon lange eine RTLS-Lösung mit UWB an, sind allerdings immer an gewisse Grenzen gestoßen. Denn UWB darf im Außenbereich nicht mit ortsfesten Sendern verwendet werden, damit es nicht zu Interferenzen mit anderen Funkanwendungen kommt. UWB-Sender im Außenbereich müssen mobil sein. Das führte dazu, dass unsere Partner ihre RTLS-Systeme im Außenbereich nicht nutzen konnten. Jetzt haben wir dafür jedoch die Lösung gefunden. Wir nutzen jetzt für den Außenbereich den Einfallswinkel AoA Angle of Arrival als Grundlage für die Standortbestimmung.

Normalerweise wird bei UWB die Signallaufzeit zwischen dem UWB-Transponder und wenigstens drei Empfängern, Anker genannt, gemessen, und das passiert auch in der Lagerhalle. Wir haben die Anker nun so programmiert, dass sie flexibel eingesetzt werden können. Im Außenbereich hören sie nur noch. Die Transponder, an den Flurförderfahrzeugen zum Beispiel, werden draußen wiederum zu mobilen Sendern. Aus dem Einfallswinkel des Signals lässt sich bei mehrmaliger Messung präzise der Standort bestimmen. So kann man UWB doch im Außenbereich benutzen.

Unser System erkennt automatisch, in welchem Anker-Bereich sich der Transponder befindet und schaltet im Innenbereich dann automatisch und nahtlos wieder auf Messung der Signallaufzeit TDoA Time Differenz of Arrival um. Dieses Messverfahren ist etwas robuster als die Messung des Einfallswinkels und bis auf 30 cm genau. Mit dieser Lösung heben wir RTLS auf ein anderes Level.

UWB RTLS für den dynamischen Einsatz in Kombination mit RFID UHF im Innen- und Außenbereich gibt es nur bei Kathrein Solutions. Es ist sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal. Wir sind auch sehr stolz darauf, dass unsere Systeme so dynamisch und anpassungsfähig sind. Wir gleichen sie an die Umgebung und die Regularien an, die bei unseren Kunden gelten, so dass sie den vollen Nutzen aus unseren Lösungen ziehen können.

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