Klinikum Leverkusen

Die Klinik Schritt für Schritt digitalisieren

Zehn Minuten Suchzeit anstatt zwei Stunden oder mehr...! Das Klinikum Leverkusen startet den Weg in das digitale Krankenhaus mit Betten- und Medizingeräte-Tracking und Kühlschrank-Monitoring.

Das Klinikum Leverkusen startet den Weg in das digitale Krankenhaus!

Krankenhäuser stehen vor der Herausforderung den Auswirkungen des Fachkräftemangels im Bereich Pflegepersonal gegenüberzutreten.

Ein Weg, um die Mitarbeiter zu entlasten, ist es, zeitraubende Routinetätigkeiten zu automatisieren. Im Klinikum Leverkusen wurde dieser Weg eingeschlagen.

Aktuell findet eine schrittweise Einführung von Asset-Tracking- und Monitoring-Lösung basierend auf WLAN-Anwendungen statt.

Jens Schulze, Leiter der Abteilung Informationstechnologie am Klinikum Leverkusen, berichtet von Erfahrungen aus der Praxis und wirft einen Blick auf die speziellen Bedingungen, unter denen sein Team Prozesse im Klinikum schrittweise digitalisiert.

Pflegepersonal von logistischen Aufgaben entlasten

In der Logistik der meisten Krankenhäuser gibt es viel ungenutztes Optimierungspotenzial, das die Institutionen Zeit und Geld kostet, die dringend an anderer Stelle benötigt werden. Jens Schulze, Leiter der Abteilung Informationstechnologie am Klinikum Leverkusen, implementiert mit seinem Team prozessorientierte Lösungen nah an den Bedürfnissen des Pflegepersonals.

Das erste Teilprojekt auf Basis von Wireless-IoT-Technologie umfasste eine Tracking-Lösung für Patientenbetten.

„Die Bettensuche hat die Pflegekräfte und Logistikmitarbeiter in der Vergangenheit viel Zeit gekostet. Insbesondere Schwerlast- oder Komfortbetten wurden bei Bedarf oft aus anderen Bereichen entnommen und in der Folge weder zurückgebracht noch freigegeben. Diese Betten mussten dann mit hohem Zeitaufwand gesucht werden. Ob das entsprechende Bett bereits einem anderen Patienten zugeordnet war, blieb unklar.“

Auch innerhalb der klinikinternen Bettenzentrale waren die Spezialbetten häufig nur mit zusätzlichem zeitlichen Aufwand auffindbar.

Geringes Budget und hohe Sicherheitsstandards – WLAN ist die Lösung

Für einen ersten Test zur Steigerung der Transparenz im Betten- Management nahm Jens Schulze Kontakt zum Telekommunikationsdiensleister des Klinikums Leverkusen auf, um mögliche Optionen zu prüfen:

„Der Dienstleister wies uns auf unsere bereits bestehende WLAN-Infrastruktur hin. Die Abdeckung ist zwar – wie in den meisten deutschen Krankenhäusern – noch nicht bei 100 Prozent , aber mit rund 45 Prozent ausreichend für erste Tracking-Applikationen.“

Die Idee, das bestehende Netwerk zu nutzen, war der Türöffner, um das Budget der IT-Abteilung nicht überzustrapazieren. Auch musste die Umsetzung des Betten-Trackings mitten im laufenden Betrieb realisierbar sein.

„Neue Kabel zu verlegen, insbesondere unter Berücksichtigung der strengen Regularien für Bau- und Brandschutz, hätten unser Budget überschritten. Tracking-Komponenten, die über die Steckdose betrieben werden, kamen nicht in Frage – das Diebstahlrisiko ist bei einem öffentlichen Krankenhaus einfach zu groß“, berichtet Jens Schulze aus dem Lösungsfindungsprozess.

Individuelle Vorteile durch die Nutzung von WLAN-Netz

„Die in unserem Haus zu findenden Voraussetzungen trafen auf unser WiFi samt Zugangspunkten bereits zu, die wir für den internen Datenaustausch, aber auch für die Nutzung durch Patienten im Bereich Entertainment, bereits integriert hatten“, berichtet Jens Schulze.

„Die Nutzung des WLAN-Netzes für die Use Cases ist aus dem Mangel an bezahlbaren Alternativen entstanden. Im Nachhinein betrachtet bietet diese Lösung aber meiner Ansicht nach noch weitere Vorteile. Bei einer zusätzlichen Infrastruktur entstünden für Wartung und Instandhaltung beispielsweise zusätzliche Kosten, die in unserem Fall durch das WLAN-Budget abgedeckt werden.“

Netzaufteilung und Monitoring zur Verhinderung von Bottlenecks

Zur Bereitstellung der benötigten Bandbreiten für die Use- Case-bezogene Datenübertragung betreibt das Krankenhaus eine Netztrennung. Den verschiedenen Nutzungsabteilungen werden ausreichende Kapazitäten zuteilt, um Engpässe zu vermeiden. Jens Schulze beschreibt das System wie folgt:

„Durch gezieltes Monitoring werden schon im Vorfeld mögliche Bottlenecks bei der Netznutzung identifiziert, um proaktiv entgegenzusteuern. Wie aber zukunftsfähige Strukturen gestaltet werden müssen, wenn immer mehr Geräte – ob aus Tracking- Anwendungen oder Smartphones der Patienten – das WLAN mitnutzen, ist heute noch nicht klar. Zahlreiche Aspekte müssen erst einmal ausgiebig getestet werden.“

Für Jens Schulze und sein Team dient der Retail-Sektor als Vorbild, wenn es zum Beispiel darum geht, dass Personen und Institutionen in der Nähe das eigene WLAN mitbenutzen.

Start des Betten-Tracking-Piloten 2018

Die Komponenten, die für Tracking notwendig sind, hatte Jens Schulzes Team bereits vorliegen:

„Mit einer ersten Hardware- Konfiguration wollten wir im Rahmen eines Pilotprojektes Anfang 2018 das System austesten. Nach der ersten Installation wurden uns die zusätzlichen Hardware-Anforderungen in Richtung einer Echtzeitapplikationen bewusst. Nach dieser kurzen Verzögerung haben wir das System weiter ausgebaut.“

Mit dem erfolgreichen Abschluss des Piloten begann das Tracking von 180 Komfortbetten. Jetzt sind Betten nach wenigen Minuten und nicht erst nach Stunden auffinddbar. Zukünftig sollen alle Betten mit WLAN-Transpondern ausgerüstet werden. Die Aufrüstung findet im Rahmen der regelmäßigen Bettenprüfung statt.

Fachbereichsübergreifende Vorteile durch Standardisierung

Jens Schulze stellte fest, dass auch über die eigentliche Zielsetzung hinaus zusätzliche Vorteile entstehen:

„Auch die Betriebstechnik sowie unser externer Dienstleister, von dem wir die Betten beziehen, profitieren von der Tracking-Lösung, während sich die Betten in der Prüfung befinden. So ist eine gezieltere, fachbereichsübergreifende Koordination mit der Pflege möglich.“

Um dies zu ermöglichen, ist Jens Schulzes Einschätzung zufolge die Standardisierung der kommunizierten Daten ein entscheidender Erfolgsfaktor.

„Standarddatenformate sind aus meiner Sicht unerlässlich im Gesundheitswesen. Beim Thema Betten-Tracking ist ja beispielsweise nicht nur interessant, wo sich ein Bett befindet, sondern auch, ob es derzeit von einem Patienten belegt wird. Interessant wäre es also, eine Betten-ID mit einer Patienten-ID zu verknüpfen. Natürlich in enger Abstimmung mit dem Datenschutz.“

Diesbezüglich steht die IT-Abteilung bereits in Kontakt mit einem Forschungsinstitut und dem Hersteller der Patientenbetten. Gemeinsam starten sie ein Pilotprojekt, welches das Klinikum Leverkusen als praktischer Partner umsetzen will.

Weitere Use Cases für Kühlschränke und medizintechnische Gerätschaften

Nach der erfolgreichen Realisierung des Komfortbetten-Pilotprojektes war das Team um Jens Schulze bereit, die Lösungsansätze auf weitere Anforderungen zu übertragen.

„Basierend auf den Erfahrungen aus dem Betten-Tracking, konnten wir eine Lösung für die Kühlschranküberwachung implementieren, bei der regelmäßig die Temperatur dokumentiert wird. Mit der Automatisierung dieses Kontrollprozesses werden Pflegekräfte von einer weiteren zeitraubenden Tätigkeit entlastet.“

Die Datenerfassung, -übergabe und -auswertung erfolgt automatisch über bestehende Strukturen.

Gerätetracking jetzt auch auf WLAN-Basis

Ein weiterer Use Case, an dessen Umsetzung die IT-Abteilung arbeitet, ist das Tracken von Medizingeräten.

„Einige Geräte werden interdisziplinär von verschiedenen Fachbereichen und Stationen benutzt, beispielsweise Diagnosegeräte für Patienten mit speziellen Krankheiten. Bisher haben Pflegekräfte viel Zeit darauf verwendet, die Geräte manuell auf den unterschiedlichen Stationen und sogar in den Patientenzimmern zu suchen. Dank des Trackings können die Geräte mit nur einem Klick gefunden werden“, erklärt Jens Schulze.

Betten funken alle fünf Minuten ihren Standort

Das System ist aktuell so konfiguriert, dass die Betten und medizintechnischen Geräte alle fünf Minuten die Information über ihren Standort senden, die Kühlschränke einmal täglich und immer dann, wenn die Tür geöffnet wird.

„Durch diese Konfiguration erstreckt sich die Batterielaufzeit auf zwei bis drei Jahre. Im Rahmen der Medizinprodukteverordnung müssen die Assets ohnehin einmal jährlich geprüft werden. Der Dienstleister, der für die Betten und die Wartung der Geräte zuständig ist, tauscht währenddessen auch die Batterien aus.“

Budgetgrenzen erfordern schrittweisen Aufbau

Da das Klinikpersonal noch nicht mit Smartphones ausgestattet ist, werden die Tracking-Daten über PCs im Dienstzimmer eingesehen. Die Applikation ist webbasiert; mit ihren Zugangsdaten können die Mitarbeiter sich in das System einwählen und die Suche starten. Langfristig ist die Implementation einer mobilen Applikation aber auf jeden Fall eine der Zielsetzungen.

„Erste Ansätze davon befinden sich bereits in der Testphase: Der Transportdienst des Krankenhauses verfügt über Android-Smartphones, auf denen die Applikation testweise abgebildet wird.“

Krankenhausverbund schafft zusätzliche Potenziale

Das Klinikum Leverkusen befindet sich zurzeit in einer Verbundplanung mit dem Klinikum Solingen. Die digitale Abbildung von Prozessen bietet die Möglichkeit, die Vorgänge von beiden Kliniken zu vereinen, obwohl die beiden Standorte rund 40 Kilometer voneinander entfernt sind. Dennoch wird der Fortschritt durch die Beschränkung des Krankenhausbudgets und Personalmangels begrenzt.

„Die Chancen, Fördergelder zu bekommen, stehen sehr gut. Aber die Antragsstellung ist langwierig und kompliziert. Dazu fehlt es uns an Zeit und Manpower in der IT-Abteilung. Dafür benötigt es eine klare Vision und Strategie der Klinikleitung.“

Rasante Refinanzierung durch stark erhöhte Prozesstransparenz

Jens Schulze ist von den vorläufigen Ergebnissen des wachsenden Projektes überzeugt: „Der Vorteil ist unmittelbar ersichtlich – dafür, dass nur ein sehr kleines Investitionsbudget zur Verfügung stand, hat sich durch den stark verringerten Arbeitsaufwand das Projekt extrem schnell refinanziert.“

Aber auch Vorbehalte innerhalb der Krankenhausbelegschaft galt es zu überwinden.

„Die Mitarbeiter müssen in die neuen Prozesse mit eingebunden werden. Durch die deutlich erhöhte Prozesstransparenz fühlen sich manche Mitarbeiter zu stark überwacht. Dadurch, dass wir bisher aber vor allem Assets getrackt haben, finden sich diese Vorbehalte, wenn überhaupt, auf kleiner und individueller Ebene.“

Auch aus diesem Grund hat sich Jens Schulzes Team bewusst für einen Ansatz entschieden, dessen Fokus auf dem Tracking der Assets liegt.

Umfassendere Digitalisierung steht ganz oben auf der Wunschliste

Im Rahmen des Tracking-Projektes hat das Klinikum Leverkusen 2018 eine Ausleuchtung der WLAN-Abdeckung durchgeführt. Die Funktionsbereiche, wie die Stationen, sind bereits ausreichend mit WLAN abgedeckt, auch wenn laut Jens Schulze noch Potenziale offenbleiben:

„Das Ziel ist die Abkehr von der DECT-Kommunikation hin zu GSM, LTE und WLAN. Aber auch auf dem jetzigen Stand konnten erste Use Cases bereits erfolgreich umgesetzt werden.“

Grundsätzlich steigt die Wichtigkeit der IT-Abteilung Schulzes Einschätzung nach deutlich an. Seiner Erfahrung nach ist in Krankenhäusern beim Weg hin zur Digitalisierung der Prozesse allerdings ein schrittweises, projektbezogenes Vorgehen von Vorteil:

„Es nützt wenig, in einem kompletten Umbauprozess alles zeitgleich digitalisieren zu wollen. Praxisbezogene Teilprojekte mit sofortiger Wirkung passen besser in die Abläufe etablierter Krankenhäuser. Unsere Aufgabe in der IT ist es dann, die einzelnen Themen miteinander zu verknüpfen, um Synergieeffekte zu erzielen.“

Neue Use Cases direkt aus dem Alltag des Pflegepersonals

Doch auch Anstöße des Pflegepersonals nimmt die IT-Abteilung gerne an. In einem Workshop bekam Schulze Anregungen von den Pflegebereichsleitern, nachdem er den Mitarbeitern den bisherigen Projektstand und die Möglichkeiten vorgestellt hatte.

„Insbesondere im Bereich Personensicherheit sahen die Bereichsleiter Optimierungspotenzial. Es finden leider vermehrt Übergriffe von Patienten und Besuchern auf Pflegepersonal statt. Auch in den Außenbereichen des Klinikgeländes wünschen sich die Mitarbeiter mehr Sicherheit. An diesem Punkt muss aber definitiv der Betriebsrat eingeschaltet werden, um durch Personenidentifikation die Rechte der Mitarbeiter nicht gegen das Bedürfnis nach mehr Sicherheit auszuspielen.“

Wäschetracking als weiterer Rollout in Planung

Auch im Bereich Krankenhauslogistik, wie dem Tracking von Wäsche, sind Use Cases in Planung. Diese sollen, so Jens Schulze, mit RFID-Technologie realisiert werden.

„Sowohl die Versorgungszentralen als auch die Versorger vor Ort profitieren von einer erhöhten Transparenz“, erläutert Jens Schulze. „Pflegekräfte können frühzeitig die Information erlangen, wie der Wäschebestand aussieht.“

Da Versorgungsunternehmen wie die Dienstleister im Bereich Wäschemanagement bereits umfassend auf RFID setzen, wird es leichter, diese Technologie auch innerhalb des Krankenhauses auszurollen.

„Der Unterschied zwischen Wäschedienstleistern und dem Klinikum ist, dass die IT-Abteilungen der Dienstleister sich auf die Implementation als Kernprozess fokussieren können. Die IT des Klinikums Leverkusen geht die Implementation als Sub-Prozess an. Dennoch sind wir überzeugt, dass wir auch mit unseren Mitteln bereits beachtliche Ergebnisse erzielen konnten.“

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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