Mass Sports Germany

Ein Tap kann Leben retten

Die Integration von NFC-RFID-Transponder in Lederkombis. Warum?

Ein NFC-Tag in Lederkombis unterstützt Ersthelfer am Unfallort.

Die Scooter-Szene ist weltweit vernetzt. Einer der erfolgreichsten Fahrer aus Deutschland ist der Kölner Kevin Pohl. Seine Karriere begann 2008 auf der weltbekannten Rennstrecke Circuit de Spa-Francorchamps. Er startete dort bei der Internationalen Deutschen Scooter Meisterschaft, dem Vorläufer der heutigen European Scooter Trophy.

Kevin Pohl ist Deutscher Scooter-Meister, Unternehmer und angestellter bei Avery Dennison. Wer mit ihm ins Gespräch kommt langweilt sich nicht. Seit über 13 Jahren gehört der Rennsport zu seinem Alltag. 2019 hat der gebürtige Kölner aus diesem Sporttalent eine Geschäftsidee kreiert: Die Integration von NFC-RFID-Transponder in Lederkombis. Warum? Die NFC-Transponder speichern persönliche Daten, die im Fall eines Unfalls lebenswichtige Informationen liefern können. Ziel: die Sicherheit auf Straßen und Rennstrecken erhöhen.

Im Interview mit RFID im Blick berichtet Pohl, welche NFC-Transponder er zu diesem Zweck auswählte und wie der kleine Markt auf das Angebot der getaggten Lederkombis reagiert.

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Der Industriemeister Kevin Pohl

Erste berufliche Kontakte mit der RFID-Technologie hatte Pohl 2017. Er startete als Industriemeister Metall in der Produktion von Avery Dennison (ehemals Smartrac Technology Group) am Standort Wehnrath. Heute ist er als stellvertretender Produktionsleiter verantwortlich für den Maschinenpark im Werk. Produziert werden RFID-Glastransponder und Intrace-Systeme, Kanülen und Applikatoren für die RFID-Tierkennzeichnung, sowie Automotive-Immobilisier. Avery Dennison gehört zu den Marktführern für selbstklebende Etiketten und spezialisiert sich auf eine Vielzahl weiterer Technologien. Im RFID-Sektor gehört Avery Dennison zu den führenden Transponderherstellern.

Die Arbeit bei Avery Dennison war die Initialzündung, kontaktlose Technologie als Sicherheitsfeatures in Lederkombis einzusetzen. Das Team um Pohl entschied bereits in der ersten Phase des Projektes, den Laundry-Tag in Disc-Bauform aus der Produktfamilie 'Maxdura' zu verwenden. Der vollständig gekapselte Transponder hat einen Durchmesser von 15 Millimetern und ein Bauhöhe von 2,6 Millimetern. Der Laundry-Tag ist für hohe Temperaturen, Druck, Feuchtigkeit und chemische Reinigungsprozesse geeignet.

Der Rennfahrer Kevin Pohl

70 Kubikzentimeter und 170 Spitze. Renn- Scooter haben nur noch wenig mit Motorrollern gemeinsam. Für Fahrer von Renn-Scootern werden sogar eigenen Rennserien auf den großen GP-Strecken ausgetragen. Pohl fuhr auf der Kartstrecke 'Circuit de Spa-Francorchamps' 2008 einen Sieg ein. Das war sein erster Erfolg. Damit war der Grundstein für über zehn erfolgreiche Jahre als Rennfahrer auf zwei Rädern gelegt. 2012 gewann er den ersten von insgesamt zwei Meistertiteln in der European Scooter Trophy.

Zum Ende seiner Karriere wechselte Kevin Pohl noch einmal in die italienische Rennserie 'Trofei Malossi'. Die italienischen nationalen Meisterschaften von Polini & Malossi gelten unter Scooter-Fahrern als die inoffiziellen Weltmeisterschaften. Ende September wird Kevin Pohl voraussichtlich sein vorerst letztes Rennen auf dem 'Autodromo Piero Taruffi' in Vallelunga nahe Rom bestreiten.

Der Unternehmer Kevin Pohl

Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Alexander Pohl eröffnete Pohl vor rund zwei Jahren das Unternehmen Mass Sports Germany, ein Ableger der pakistanischen Lederfabrik Mass Sports. Die Mutterfirma wurde bereits 2004 in der asiatischen Lederhochburg Sialkot gegründet. 75 Prozent aller Lederfußbälle stammen beispielsweise aus Sialkot. Inzwischen hat Mass Sports über 18.000 Lederkombis weltweit ausgeliefert.

Bei Mass Sports Germany geht es aber nicht nur um den Vertrieb der Schutzbekleidung, die auch weiterhin in Handarbeit in Pakistan hergestellt wird, sondern um die innovative Weiterentwicklung und die Integration von Technologie. Das innovative Finishing der Lederkombis erfolgt am Firmensitz in Köln“, berichtet Pohl. „Alleine das Herstellen und Legen der individuell gestalteten Teile nimmt eine Woche in Anspruch."

Deutschlandweit fast 30.000 Motorradunfälle in 2019

Auf deutschen Straßen stehen laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes 4,4 Millionen Krafträder 46,6 Millionen Pkw gegenüber. Im Durchschnitt verunglücken auf 1.000 zugelassene Motorräder sechs Fahrer. Bei Pkw liegt die Anzahl bei fünf Fahrern. 542 Motorradfahrer kamen bei Unfällen ums Leben. Damit ist das Risiko für Motorradfahrer, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, 4-mal so hoch wie für Insassen in Pkw.

Wie können sich Motorradfahrer schützen?

Die Möglichkeiten sind eingeschränkt. Motorräder haben im Vergleich zum Pkw keine physischen Schutzzonen. Helm, Lederkombi, Handschuhe und Stiefel sind die einzigen Komponenten, um bei einem Crash Verletzungen abzumildern. Protektoren aus speziellem Kaltschaum, die in die Lederkombi eingearbeitet werden, können bei einem Sturz einen Teil der Aufprallenergie abfedern. Bis zu 14 Protektoren können in Lederkombis von Mass Sports Germany eingesetzt werden. "Damit ist das Maximum an Sicherheit erreicht“, erläutert Pohl.

Airbag für Motorradfahrer?

Wer noch sicherer unterwegs sein will, kann ein Airbag System in die Lederkombi integrieren lassen. Das Airbag System schützt den kompletten Oberkörper, den Kopf und den Nacken bei einem Aufprall. Die Auslösung des Airbags erfolgt über einen ebenfalls in die Lederkombi integrierten Sensor, der die Bewegungen des Fahrers in Echtzeit erfasst. Optional kann der integrierte Sensor mit einem weiteren Sensor gekoppelt werden, der an der Motorradgabel befestigt wird. Die jeweilige Fahr- oder Sturzsituation wird über die Sensordaten analysiert.

Wird ein Unfall oder Sturz über die Sensorparameter registriert, füllt sich der Airbag in Millisekunden vor einem Aufprall. Der Kombi-sensor löst innerhalb von 62 Millisekunden, der Gabelsensor in 31 Millisekunden den Airbag aus. Mit den Protektoren und dem Airbag wird, laut Pohl, das absolute Maximum an Sicherheit erreicht. Genau an diesem Punkt setzte vor sechs Monaten die Entwicklungsarbeit ein.

NFC-Daten für die Patientenakte

"Was können wir über die Komponenten Airbag oder Protektoren hinaus noch entwickeln, um die Sicherheit zu erhöhen? Das war die Anfangsfrage. Das Ergebnis: eine NFC-basierte Lösung zur Information von Ersthelfern“, berichtet Pohl rückblickend.

„Nahezu jeder Ersthelfer hat das benötigte Equipment zum Erfassen der Notfalldaten in der Hosentasche – ein NFC-fähiges Smartphone“, erklärt Pohl und führt aus, „Ein Patch mit einem Notfallsymbol am Oberarm weist auf die Position des NFC-Transponders hin. Der NFC-Tag, der zukünftig in jede Lederkombi eingenäht wird, kann auf Wunsch mit Gesundheitsdaten, wie Blutgruppe, Medikamentenunverträglichkeit, Allergien oder Vorerkrankungen, kodiert werden. Auch Kontaktdaten von Ansprechpartnern für den Notfall können gespeichert werden. In der Testphase liegen die Daten auf einem Web-Server.

In der finalen Ausführung werden alle Informationen direkt auf dem internen Speicher des NFC-Chips gespeichert. Das hat zwei Gründe. „Erstens besteht nicht überall, wo Unfälle passieren, eine stabile Mobilfunkverbindung, um Daten aus dem Web abzurufen. Zweitens wird der Datenschutz optimaler gewährleistet, wenn die Daten nicht zentral hinterlegt sind“, so Pohl.

Technologie: Warum ein Landry-Tag?

TDer Laundry-Tag in Disc-Bauform aus der Produktfamilie 'Maxdura' ist ein vollständig gekapselter Transponder mit einem Durchmesser von 15 Millimetern und einer Bauhöhe von 2,6 Millimetern. Der Laundry-Tag ist für hohe Temperaturen, Druck, Feuchtigkeit und chemische Reinigungsprozesse geeignet. "Motorradfahrer sind bei jedem Wetter unterwegs. Regen und Sonne wirken auf die Ledermaterialien ein. Einige Fahrer reinigen ihre Kombi in der heimischen Badewanne auch mit chemischen Pflegemitteln“, erläutert Pohl. Der Tag muss daher eine hohe Beanspruchung aushalten.

Feedback aus der Szene

Die größte Herausforderung sieht Pohl eher darin, die breite Öffentlichkeit über die Funktionsweise zu informieren. „Die innovativste Idee bringt keinen Sicherheitsgewinn, wenn kein Ersthelfer weiß, dass es sie gibt. Daher werden wir über verschiedene Kanäle und Netzwerke viel Aufklärungsarbeit betreiben.“ Die Lösung ist aber nicht nur geeignet, um die Sicherheit auf öffentlichen Straßen zu verbessern, sondern auch auf Rennstrecken ist der Einsatz effektiv.

Rennstreckenbetreiber befürworten die Tag-Lösung, denn das medizinische Personal hat auch bei einem Rennen nicht alle Daten der Fahrer schnell präsent. Die NFC-Lösung direkt am Ort des Unfallgeschehens unterstützt die notwendigen Hilfsmaßnahmen und erzeugt schnelle Abläufe. Und genau diese Schnelligkeit und Transparenz kann entscheidend sein.“

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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