Autoreifen mit eingebettetem RFID Tag
Zukunft der vernetzten Autoreifen
2012 begann Michelin mit dem RFID-Tagging von Serienreifen sowohl für LKW als auch Busse, 2019 wurde das RFID-Tagging auf PKW Reifen ausgeweitet. Ziel von Michelin ist es, bis 2025 sämtliche hergestellten Autoreifen mit einem RFID-Tag auszustatten und den RFID-Einsatz in der Reifenherstellung zu standardisieren. Mit der Gründung der GDSO und dem Tire Information Service 2022 entstehen eine Standardisierungsorganisation und ein standardisierter Zugang zu Reifendatenbanken über die Cloud. Christophe Duc, RFID Initiative Leader, Michelin, erklärt die Fortschritte im Bereich RFID-Tagging in der Reifenherstellung.
INTERVIEW MIT CHRISTOPHE DUC
1. Herr Duc, welche Ziele verfolgt die Reifenindustrie mit der Gründung der GDSO?
Das übergeordnete Ziel ist es, die Reifenindustrie mit RFID zu digitalisieren. Aus diesem Grund werden internationale Standards für das RFID Tagging von Reifen benötigt. Die GDSO ist eine Organisation, die gemeinsam von den Unternehmen Bridgestone, Continental, Goodyear, Michelin und Pirelli gegründet wurde, um globale Datenstandards auf Basis eines Unique Item Identifiers für den RFID-Einsatz in der Reifenherstellung festzulegen und diesen auszuweiten.
Dazu trägt beispielsweise der Tire Information Service bei, in dem sämtliche standardisierten Reifeninformationen digital für Stakeholder zugänglich sein werden. Der Informationsaustausch wird gefördert um Vorteile für die gesamte Automobilbranche zu erzielen.
2. Welches sind die derzeitigen Trends bei Automotive OEMs hinsichtlich der Nutzung von RFID-Technologie?
OEMs setzen RFID immer mehr ein und fordern RFID-getaggte Reifen an. Volvo zum Beispiel liefert sämtliche Neuwagen mit RFID-getaggten Reifen aus. Gleichzeitig erhält Michelin zahlreiche Projektanfragen von OEMs um Fahrzeuge, deren Markteinführung für 2024–2025 geplant ist, mit RFID-getaggten Reifen auszustatten.
Dies sind klare Anzeichen dafür, dass die führenden Automobilhersteller die Vorteile und Anwendungsmöglichkeiten von RFID erkannt haben und sich der Trend zu einer erweiterten RFID-Nutzung in der Reifenherstellung und der Automobilindustrie fortsetzt. Auch Vertriebs- und Logistikpartner sowie weitere Stakeholder im Automobilmarkt zeigen großes Interesse an der Technologie und haben damit begonnen, mit Reifenherstellern zusammenzuarbeiten.
Weitere Informationen stehen auf der Michelin RFID Webseite und in einer Broschüre von Michelin zur Verfügung.
3. Welches sind die bedeutendsten Use Cases für RFID-getaggte Reifen in der Automobilindustrie?
Mit RFID wird grundsätzlich ein effizientes Bestandsmanagement, eine optimierte Logistik sowie eine akkurate Zuordnung von Reifen zu Felgen realisiert. Einige Partner gehen darüber hinaus und nutzen RFID für das Qualitäts- und Compliance-Management in der Automobil-Wertschöpfungskette. Die Identifikationsnummern der RFID-getaggten Reifen werden beispielsweise mit der Fahrzeugidentifikationsnummer verlinkt.
Dies garantiert, dass an jedem produzierten Fahrzeug die korrekten Reifen montiert sind. In der Automobilindustrie sind OEMs dazu verpflichtet, sich an strenge Qualitätsvorgaben und regionale Standards zu halten, die mit dem Einsatz von RFID leichter überwacht und eingehalten werden können. Zusätzlich ist es möglich, im Fall einer Rückrufaktion betroffene Reifen schnell zu identifizieren und auszutauschen.
4. Welche neuen oder zukünftigen Use Cases werden derzeit erprobt?
RFID-getaggt Reifen werden zunehmend in der Fahrzeugentwicklung genutzt. Es wird aufgezeichnet, welche Reifen in Tests der OEMs zum Einsatz kommen und der passende Reifen für das jeweilige Fahrzeug ermittelt, bevor diese am Markt eingeführt werden. Darüber hinaus ermöglicht RFID mehrere spezifische After Sales Use Cases, wie zum Beispiel den Wechsel von Sommerund Winterreifen und vorausschauende Wartungsarbeiten. Am Ende der Lebensdauer nimmt RFID eine Schlüsselrolle in der Sortierung, der Wiederverwendung, der Runderneuerung und dem Recycling von Reifen ein. Diese Anwendungen werden derzeit in Zusammenarbeit mit Partnern erprobt.
5. Welche Vorteile bietet der Tire Information Service für diese Use Cases?
Der Tire Information Service ist darauf ausgelegt, sämtlichen Stakeholdern in der Automotive- Wertschöpfungskette Reifeninformationen wie beispielsweise die Marke, den Reifentyp und die Abmessungen weltweit zur Verfügung zu stellen. Jeder Reifen wird mittels RFID genau nachverfolgt und identifiziert. Das Auslesen erfolgt je nach Anwendung mittels RFID Gates oder Handhelds, oder beim Vorbeifahren an stationären RFID-Lesegeräten. Über eine Sicherheitsauthentifizierung wird sichergestellt, dass nur Partnerunternehmen auf die Daten zugreifen können. Der Tire Information Service bietet einen standardisierten Zugang zu den Daten der jeweiligen Herstellerdatenbank.
6. Welche Patente hält Michelin im Bereich RFID-getaggte Reifen?
Nach mehreren Jahren Forschungsarbeit hält Michelin Patente an UHF RFID Tire Tags, Halbfertigprodukten, dem Produktionsprozess und dem Integrationsprozess des RFID-Tags in den Reifen.
7. Wie steigert Michelin die Marktakzeptanz?
2022 verfügt Michelin über Lizenzpakete in vier Bereichen: Dem Tire Tag, den Halbfertigprodukten, dem Produktionsprozess, und der Integration des RFID-Tags in den Reifen. Um die Marktakzeptanz von RFID zu steigern hat Michelin entschieden, dass Reifenhersteller den sogenannten "Michelin-approved Tag" anonym und ohne Verletzung von IP-Rechten von ausgewählten Tag-Herstellern erwerben können.
8. Wie plant Michelin die RFID-Nutzung in Reifen auszuweiten?
Der Schlüssel für eine Ausweitung des RFID-Einsatzes ist der Aufbau eines umfassenden Partner-Ökosystems. OEMs, Zulieferer und Vertriebsunternehmen in der Automobilindustrie haben schnell reagiert und auf RFID gesetzt. Um die Marktakzeptanz zu steigern und RFID zu einem industrieweiten Standard aufzubauen, ist die Kooperation und gemeinsames Arbeiten mit dem Ökosystem unerlässlich. Dieses Netzwerk muss um neue Partner erweitert werden.
Dazu gehören Unternehmen die als RFID-Integratoren, in der Logistik, in der Automation, dem Werkzeugbau, der Standardisierung oder im Bereich Maschinensteuerung aktiv sind. Diese Partner sind notwendig, um die Integration von RFID in der Automobilindustrie zu vereinfachen und die Vorteile der Technologie voll auszuschöpfen. Dieser strategische Ansatz wurde auf Veranstaltungen wie der TireTechnology Expo, der Autopromotec und der Hannover Messe gemeinsam mit der GDSO, ATEQ, CIPAM, Hana, Siemens, Snap-On und weiteren Unternehmen vorgestellt.