UKSH

OP-Management und Aufbereitung von Medizinprodukten am UKSH

Alles vernetzt: Roboter und Augmented Reality im OP, AGVs in der zentralen Sterilisation, Rohrpost und automatisches Unit-Dose-System

Vernetzung + Digitalisierung = Weltspitze in einer der modernsten Kliniken Europas

Der Kieler Hybrid-OP-Saal feierte 2018 eine Weltpremiere. Erstmals kam eine ‚Augmented Reality‘-basierte Navigationstechnologie für minimalinvasive Wirbelsäulen- und Beckenchirurgieeingriffe bei einer Operation zum Einsatz. Im Herbst 2019 folgte dann erstmals das in Qualität und Präzision optimierte System im Rahmen einer aktuell laufenden klinischen Studie.

Das hochmoderne System verknüpft 3D-Ansichten, die von einem Röntgensystem aufgenommen werden, mit virtuellen Bildern des Patienten. Beide Aufnahmen und deren Bildinformationen werden datentechnisch kombiniert, so dass der Chirurg beim Blick auf das Bildergebnis den Eindruck gewinnt, er habe direkt und unmittelbar die Wirbelsäule des Patienten vor sich. Diese speziellen Eingriffe sind Teil von über 31.500 Operationen, die jährlich am Universitätsklinikum Kiel stattfinden.

Die Koordinierung aller Eingriffe erfordert vom OP-Management Höchstleistungen. Die Bereitstellung von OP-Instrumenten und Verbrauchsmaterialien aus der AEMP wird künftig mit Robotern abgesichert. Die Innovationen in Kiel verhelfen dem Universitätsklinikum zu einem der modernsten Häuser Europas zu werden.

Joß Giese, OP-Manager und Jalel Ben Mesmia, Fachleitung AEMP – Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte am UKSH, Campus Kiel im Gespräch mit RFID im Blick.

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Neue medizinische Einrichtungen auf 255.301 Quadratmetern in Kiel und Lübeck

In rund vier Jahren Bauzeit entstanden parallel an zwei rund 80 Kilometer voneinander entfernten Campi in Kiel und Lübeck auf insgesamt 255.301 Quadratmetern Gebäude für die medizinische Patientenversorgung. In Kiel entstand ein Neubau mit über 64.000 Quadratmetern, In Lübeck sind es mehr als 55.000 Quadratmeter. Insgesamt wurden in Kiel über 100.000 Quadratmeter Fläche umgebaut, renoviert oder teilsaniert.

Der frühere unwirtschaftliche Betrieb der Pavilliongebäude machte die umfassende Sanierung nötig. Ziel der Baumaßnahmen war auch die Zentralisierung bestimmter Funktionsbereiche. Die Kosten für Planung, Neubau und Sanierung betragen rund 520 Millionen Euro. Zusätzlich flossen circa 200 Millionen Euro in Medizintechnik, Möbelausstattung und IT-Systemtechnik.

Grundsteinlegung 2015, Fertigstellung 2022

Eines der umfassendsten Klinik-Bauprojekte in Europa startete mit der Grundsteinlegung 2015. Ziel der umfassenden Maßnahmen ist die Zentralisierung von 21 Kliniken am Campus Kiel und 20 Kliniken am Campus Lübeck. Im Herbst 2019 fand die Inbetriebnahme beider Kliniken statt. Noch bis zum Jahr 2022 werden die Bestandsgebäude auf dem Campus Kiel saniert und umgebaut.

OP-Koordination für 110 Eingriffe pro Tag

Pro Jahr rechnet das UKSH mit über 31.500 Operationen in den ambulanten und zentralen OP-Sälen auf dem Campus Kiel. Gerechnet wird mit einem weiteren Anstieg der OP-Zahlen. Der Blick auf die Operationen in den Jahren 2005 bis 2018 lässt diesen Rückschluss zu. Die Anzahl von vollstationären Operationen in Deutschland nahm in diesem Zeitraum um fast 40 Prozent zu. „In Kiel finden in 30 OP-Sälen etwa 110 chirurgische Eingriffe täglich statt“, resümiert Joß Giese, verantwortlicher OP-Manager am Kieler Campus. Die OP-Zeiten variieren stark.

„Ist ein kleiner operativer Eingriff am Auge nach weniger als 30 Minuten vollzogen, kann eine große herzchirurgische Operation bis zu acht Stunden in Anspruch nehmen.“ OP-Planungen, Saal- Belegungen und die Ausstattung mit Instrumenten sowie Verbrauchsmaterialien wird durch die notwendige Flexibilität zu einer komplexen Managementaufgabe.

„Die Organisation erfolgt auf mehreren Ebenen. Jede Fachrichtung muss ausreichend Zeit für die vorgesehenen Operationen erhalten. Parallel müssen Notfallkapazitäten eingeplant werden.“

Fallwagen-Konzept 2.0 in der Umsetzung

Neben der zeitlichen Komponente ist die Bereitstellung steriler Medizinprodukte und OP-Instrumente entscheidend für die effi ziente OP-Organisation. Das UKSH setzt auf ein Fallwagen-basiertes Versorgungskonzept.

„Je nach Komplexität einer Operation, werden ein bis zwei Fallwagen benötigt. Die Wagen werden für geplante Operationen am Vortag bestückt. Parallel stehen fertig bestückte und sicher verplombte Fallwagen für Notfalloperationen zur sofortigen Nutzung bereit“, erklärt Joß Giese. Um der steigenden Anzahl an OPs ohne Qualitätseinbußen bei der Bereitstellung von Fallwagen und ohne Explosion der Kosten gerecht zu werden, arbeitet das OP-Management Team am Fallwagen-Konzept 2.0.

„Mit der Neuorganisation der kompletten OP-Versorgung und Einführung des Fallwagensystems soll ein Maximum an Flexibilität bei gleichzeitig optimierter Lagerhaltung erreicht werden. Wir zielen darauf ab, eine höchstmögliche Standardisierung von Materialien und Eingriff en zu erreichen, um die OP-Materialkosten zu senken und die Versorgungssicherheit zu erhöhen“, so Joß Giese.

Containern, Boxen und Fallwagen mit RFID-Technologie

Um die Bereitstellung der Fallwagen mit Medizinprodukten transparenter zu gestalten, kommt eine RFID-Lösung zum Einsatz. „RFID-Technologie nutzen wir, um größere Einheiten, wie Boxen, Container oder auch die Wagen zu tracken. Die Steuerung der logistischen Prozesse erfolgt über RFID-Trackingdaten“, erläutert Joß Giese. In der in Umsetzung befindlichen Ausbaustufe werden Roboter und AGVs die Zusammenstellung von Fallwagen mit Instrumenten und Produkten aus der AEMP unterstützen. Die RFID-Kommunikation nimmt dann eine Schnittstellenrolle ein.

Management von 120 Tonnen Sterilgut

In der zentralen Sterilisation am Campus Kiel werden alle mehrfach verwendbaren Medizinprodukte aus den jährlich über 30.000 Operationen gereinigt, sterilisiert, verpackt und zwischengelagert. Der logistische Kreislauf zwischen der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte und den 30 OP-Sälen soll durch die modernen Automatisierungsprozesse maßgeblich profi tieren.

Ein aus Sicht von Jalel Ben Mesmia, Fachleitung AEMP, ausschlaggebender Aspekt für die Optimierung der Sterilisationsprozesse ist der Zeitgewinn des Transportes benutzter Instrumente zwischen OP und AEMP. Der im Zuge des Neubaus entstandene zentrale OP-Bereich mit 17 Sälen liegt nur zwei Etagen über der AEMP. Über einen Sterilgutfahrstuhl besteht eine direkte Verbindung der beiden Funktionsbereiche.

„Die verringerte Transportzeit trägt zum Werterhalt mehrfach verwendbarer Instrumente bei. Verunreinigungen mit Proteinen oder Chloriden greifen die Oberfl äche an. Je schneller der Reinigungsprozess gestartet werden kann, desto häufi ger können die Instrumente wiederverwendet werden.“

+6.000 verschiedene Geräte bei OPs im Einsatz

Die Vielfalt der eingesetzten Medizinprodukte stellt die rund 50 Mitarbeiter in der AEMP vor logistische und prozessuale Herausforderungen. Die unterschiedlichen Produktgruppen erfordern spezifische Aufbereitungsmethoden. Mehr als 6.000 unterschiedliche Geräte und Instrumente kommen bei Operationen am UKSH zum Einsatz.

Von ‚Massenartikel- Instrumenten‘ wie Scheren, Pinzetten und Skalpellen bis hin zu hochkomplexem Arbeitsmaterial wie dem Zubehör für die 'da Vinci'-Chirurgiesysteme. Die Instrumente für die minimalinvasiven Robotor-Eingriffe dürfen insgesamt nur 10-Mal wiederverwendet werden.

Das 'da- Vinci'-System erkennt automatisch, wenn ein Instrument bereits die zulässige Anzahl der Einsätze erreicht hat. Fehlhandhabungen werden somit vermieden. „Durch die Erhöhung des Automatisierungsgrades am Übergang zwischen AEMP und OP-Bereich sollen Vorteile für die Qualität und die Betriebskosten erzielt werden", blickt Jalel Ben Mesmia voraus.

Robotertechnik soll bis Ende 2020 einsatzbereit sein

Die Technologie zur Automatisierung des Fallwagen-Managements besteht aus Robotern, automatisierten Lägern und AGVs. „Die geplante Automatisierungslösung wird die weltweit erst zweite Installation dieser Art sein“, berichtet Joß Giese.

„Die Roboter gestützten Prozesse werden es erlauben, Fallwagen mit exakt defi nierten Instrumentensets pünktlich für jede Operation zur Verfügung zu stellen. Durch die Automatisation kann die Kommissionierung bereits in der Nacht vor dem Eingriff erfolgen. Hierdurch wird die Versorgungssicherheit maßgeblich erhöht. Benötigt ein Chirurg zusätzliche Materialien, können diese per Klick hinzugefügt werden", unterstreicht der OP-Manager den Zugewinn an Flexibilität und exakter Planbarkeit.

Quelle: RFID im Blick, Ausgabe 03/2020

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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