Uniklinik Carl Gustav Carus Dresden

Mit Hochdruck Informationen beschaffen

6 Kilometer ringförmige Rohrpostanlage transportiert 500 Büchsen pro Tag im Universitätsklinikum Dresden

Transport – Analyse – Diagnostik

Auf insgesamt 6 Kilometern Rohrpostanlage werden medizinische Produkte – wie Probenmaterial aus den Operationssälen, Patientenakten oder Medikamente – transportiert. Herausragend dabei, die Zustellung erfolgt mit 30 Kilometer pro Stunde.

Das Ergebnis: Die Rohrpostanlage verkürzt die Transportzeiten, so dass beispielsweise Analyseergebnisse aus den Laboren, die für die Diagnostik benötigt werden, schneller vorliegen. Die Rohrpostanlage ist Teil einer Änderung in der Logistik, deren erster Bauabschnitt in 2019 fertig gestellt wurde. Der nächste Abschnitt dieser Baumaßnamen betrifft die Apotheke und soll bis 2024 realisiert werden.

Benjamin Reppe fungiert als Projektleiter 'Rohrpostsystem' im Bauherren-Team des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden. Bereits 2016 begann er mit dem Aufbau der modernen Rohrpostanlage. Ziel: Das Servicelevel auf 10 Minuten zu drücken. Das entspricht einer Verkürzung der Transportzeiten um 50 Prozent. Heute ist dieses Servicelevel Realität.

Benjamin Reppe führt Im Interview mit RFID im Blick zudem aus, welche Modernisierungen ergänzend zur Rohrpostanlage in den vergangenen 4 Jahren noch umgesetzt wurden.

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Umständliche und lange Transportwege

„Vor der Realisierung der Rohrpostanlage wurden, je nach Entfernung des Zielorts, die Proben zu Fuß, per Fahrrad oder per Auto transportiert. Das Verfahren war ineffizient, fehleranfällig und zeitintensiv. Je schneller eine Blut- oder Gewebeprobe im Labor analysiert wird, desto schneller kann der Patienten versorgt werden. Innerhalb eines einzigen Gebäudes summieren sich Laufminuten sehr schnell. Hinzu kommen größere Entfernungen zwischen den Gebäuden. Die Lösung erhöht die Transportgeschwindigkeit und Transparenz, garantiert die die Nachverfolgung von Medizinprodukten“, führt Benjamin Reppe aus.

Seit 2019 ist die Rohrpostanlage in Betrieb

Bereits 2009 wurde die Machbarkeitsstudie einer Rohrpostanlage durchgeführt. Der Neubau – das Haus 32 – mit chirurgischer Notaufnahme und angeschlossenem OP-Zentrum sowie die Rohrpostanlage wurden parallel realisiert. 2014 begann der Neubau, zwei Jahre später wurde die Basis für die Rohrpostanlage in die bestehende Trasse integriert.

„Die chirurgische Notaufnahme eröffnete im Juni 2019. Zusätzlich wurden die Radiologie, eine Pflegestation mit insgesamt 128 Betten und interdisziplinäre Ambulanzen in den Neubau integriert. Über 720 Mitarbeiter arbeiten in dem neuen Gebäudekomplex. Weitere Gebäude, die rund 500 Meter entfernt sind – darunter Labore und die Pathologie – wurden 2017 in das Rohrpostsystem integriert. Seit Juni 2019 ist das Haus 32 mit rund 10.700 Quadratmetern voll in Betrieb, so auch die Rohrpostanlage“, fasst Benjamin Reppe zusammen.

6 Kilometer Trassenlänge

Aktuell sind sechs Kilometer Rohrlänge verbaut. Die Hälfte davon unterirdisch. In der ringförmigen Anlage verlaufen die Rohre parallel. 19 Stationen sind bislang in Betrieb. 500 Büchsen pro Tag werden versendet oder in Empfang genommen. Die Büchsen werden mit geringfügigem Abstand in den Kunststoffrohren, die einen Durchmesser von 160 Millimetern aufweisen, transportiert. An den Terminals der Rohrpoststationen wird der RFID-Tag an der Büchse mit den Ziel- und Prioritätsinformationen beschrieben. Die Transportgeschwindigkeit beträgt bis zu acht Meter pro Stunde, das entspricht rund 30 Kilometer pro Stunde.

Innerhalb von 10 Minuten – unabhängig der Länge der zurückgelegten Strecke – erreicht jede Büchse ihren Zielort. Das entspricht einer Verkürzung der Transportzeiten um 50 Prozent. „Aktuell sind die chirurgische Notaufnahme, die Pathologie, das Institut für Klinische Chemie sowie die Labormedizin verbunden. Die Installation und Inbetriebnahme der Gesamtanlage übernahm das Unternehmen für Transportautomation Aerocom“, erklärt Benjamin Reppe.

Wie ist die Logistik organisiert?

Das Klinikgelände ist flächendeckend mit WLAN ausgestattet. Eine digitale Schließanlage mit spezifischen Zugriffsberechtigungen, je nach Bereich und Mitarbeiter, regelt den Zutritt. Die Berechtigungen werden von einer zentralen Verwaltung nach Kategorien vergeben und im RFID-Transponder des jeweiligen Mitarbeiters hinterlegt. An den Türen verbaute Lesegeräte erfassen die Transponder mit einer Lesereichweite bis zu 30 Zentimetern. Nur wenige Bereiche sind aktuell noch offline. Ein Großteil des Personals verfügt zudem über einen weiteren RFID-Chip für die Zeiterfassung und Parkplatzzufahrt.

RFID-getaggte Wäschestücke

Auch für das Handling der Wäsche setzt das Klinikum auf automatisierte Lösungen. Alle Wäschestücke sind mit RFID-Transpondern versehen und werden über Wäscheautomaten ausgegeben. „Die Bestückung der Automaten wird noch manuell vorgenommen, aber die Wäscheentnahme durch das Personal erfolgt bereits vollautomatisiert“, erläutert Benjamin Reppe. Die logistischen Prozesse wurden in Zusammenarbeit mit Fraunhofer IML analysiert.

Asset-Management mit Data Matrix-Codes

Die Wartung des Inventars wird digital erfasst. Dafür werden die Assets mit einem Data Matrix-Code versehen und händisch per Handheld eingelesen.

Sterilgutaufbereitung erfolgt digital und mit hauseigener Kennung

Der Automatisierungsprozess erfolgt auch in der Sterilgutversorgung. OP-Instrumente müssen vor jedem Einsatz sachgemäß aufbereitet werden. Früher wurde das Verfahren und die Länge des Reinigungsprozesses von Operationsbestecken handschriftlich dokumentiert. Aktuell sind alle Operationsbestecke und -instrumente im Klinikum mit einem Data Matrix-Code versehen und die benötigten Informationen digital hinterlegt.

In den Barcode hat das Klinikum zudem eine hauseigene Kennung integriert, die beim Auslesen per Handheld die Zugehörigkeit zum Universitätsklinikum Dresden offenbart. Die gesamte Historie der medizinischen Instrumente kann somit eingesehen und nachverfolgt werden.

Patientendaten sind digital hinterlegt

Ziel der Digitalisierungsmaßnahmen ist das papierlose Klinikum mit vollständig elektronischer Krankenakte. Digitale Prozesssteuerung und Qualitätsprüfung sollen jederzeit sichergestellt werden. Alle Patientendaten sind bereits digital hinterlegt. Beispielsweise kann das Personal die Tagesplanungen für alle Operationen einsehen. Das erleichtert nicht nur die interne Koordination, sondern führt gleichzeitig zu Zeit- und Kosteneinsparungen.

Zudem wird das Ausstellen von Rezepten vereinfacht. Diese konnten vor der Digitalisierung nur von Fachärzten unterzeichnet werden. Jetzt können sie auch von Pflegekräfte ausgestellt und anschließend von einem Facharzt bestätigen werden. Das medizinische Personal sieht alle relevanten Informationen digital ein.

Interne Vernetzung dank IT-Plattform 'Orbis'

Sich wiederholende papier-basierte Prozesse innerhalb des Klinikums, werden in automatisierte, digitale Lösungen überführt. Dafür hat die interne IT-Abteilung, in Zusammenarbeit mit externen Beratern das IT-System 'Orbis' konzipiert. „Die Plattform bündelt alle Daten digital, infolgedessen werden Papierausdrucke minimiert“, erklärt Benjamin Reppe und führt aus, „jede Klinik und jedes Institut wird im Zuge der Integration dieser Management-Plattform modernisiert. Da alle Beteiligten auf das gleiche System zurückgreifen, sind die einzelnen Stationen digital miteinander verknüpft und Daten können eingesehen und ausgetauscht werden.“

Schrittweiser Ausbau der Rohrpostanlage

Bis 2024 werden die Apotheke und weitere Institute und Kliniken mit 15 bis 20 Kilometern Rohrstrecke angeschlossen. Das entspricht rund 20 Kilometern Gesamtstrecke. Würde man alle Gebäude an das Rohrpostsystem anschließen, müssten ungefähr 100 Kilometer Rohrstrecke verbaut werden. Das ist jedoch nicht vorgesehen.

Zukünftig RFID-Integration in der Transfusionsmedizin

Im nächsten Ausbauschritt sollen Blutkonserven direkt aus der Blutbank über die Rohrpostanlage versendet werden. Herausforderung dabei ist die notwendige Kühlung des Transportguts. Geplant ist in Zukunft RFID-Technologie für das Tracking und Tracing von Blutkonserven zu nutzen. Ein RFID-Chip in der Transfusionsmedizin ist bisher jedoch nicht rentabel. Außerdem gibt es Überlegungen über den Einsatz von RFID-Armbändern auf der Säuglingsstation. Damit soll ein höherer Sicherheitsstandard gewährleistet werden.

Qualitätsstandards weltweit vergleichen

Innerhalb der nächsten 5 Jahren soll die Stufe 7, die höchste Stufe, des Electronic Medical Records Adoption Model (EMRAM) erreicht werden. Eine der ersten Digitalisierungsstufen beinhaltet die Nutzung von Laborinformations- und Managementsystemen, eines Radiologieinformationssystems und einer pharmazeutischen Wissenssoftware. Ziel- und Endpunkt der Digitalisierung ist das papierlose Krankenhaus mit vollständiger elektronischer Krankenakte, in dem digitale Prozesssteuerung und Qualitätsprüfung jederzeit möglich sind. Das Modell gibt den Digitalisierungsgrad von Krankenhäusern für einen internationalen Vergleich an.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden in Zahlen und Fakten

  • Krankenhaus der Maximalversorgung mit 26 Kliniken und Polikliniken
  • 850 stationäre Klinikbetten und 9.700 Mitarbeiter
  • Über 1.000 Ärzte
  • Über 1.410 Betten
  • Jährlich 57.000 stationäre und 277.000 ambulante Patienten

Benjamin Reppe: „Die Lösung erhöht die Transportgeschwindigkeit und Transparenz, garantiert die Nachverfolgung von Medizinprodukten und minimiert die Fehlerquote. Der Transport in der Rohrpostanlage erfolgt mit 30 Kilometern pro Stunde. Innerhalb von 10 Minuten – unabhängig der Länge der zurückgelegten Strecke – erreicht jede Büchse ihren Zielort. Denn je schneller eine Blut- oder Gewebeprobe im Labor analysiert wird, desto schneller kann der Patient versorgt werden.“

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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