Universitätsklinikum Graz

Zwei Wege zu einem effizienten Wäschemanagement

Mit RFID-Tags soll am Klinikum Graz künftig die Dienstbekleidungsversorgung optimiert werden. Michael Kazianschütz, Bereichsleiter Logistik/ Supply Chain Management, Universitätsklinikum Graz, im Interview

Wäsche als Teil der Krankenhauslogistik!

Eine besondere Herausforderung in der Krankenhauslogistik ist die täglich anfallende Wäsche. Patienten, Pflegepersonal und Ärzte sollen genau dann mit sauberer Wäsche versorgt werden, wenn sie sie brauchen; benutzte Wäsche soll gereinigt und danach sofort wieder zur Verfügung gestellt werden. Wird benutzte Wäsche jedoch nicht wieder in den Kreislauf eingebracht, sondern in Spinden oder nicht dafür vorgesehenen Behältern aufbewahrt, dann funktioniert das Wäschemanagement auf lange Sicht nicht.

Die Krankenhauslogistik zu optimieren heißt vor diesem Hintergrund für Michael Kazianschütz, dem Bereichsleiter Logistik/Supply Chain Management am Universitätsklinikum Graz, dass die Dienstbekleidung digital erfasst werden muss.

Michael Kazianschütz, Bereichsleiter Logistik/Supply Chain Management, Universitätsklinikum Graz, im Interview mit RFID im Blick

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Digitalisierung der Krankenhauslogistik

Um einen Krankenhausbetrieb effizient zu gestalten, ist eines besonders wichtig: Transparenz über die ablaufenden Prozesse. Im Landeskrankenhaus Universitätsklinikum Graz sind seit 2014 viele Prozesse transparenter geworden. Das Materialwirtschaftssysten wurde 2014 von Papiererfassung auf SAP umgestellt. Gleichzeitig begann Michael Kazianschütz mit der Stabsstelle Logistik ein ganzheitliches Konzept für alle Versorgungsprozesse zu entwickeln.

Dass das unbedingt notwendig ist, leuchtet ein: Die Direktoren des Klinikums, die Anstaltsapotheke, die Techniker, die Blutbank, die einzelnen Kliniken – alle brauchen Informationen und Transportmöglichkeiten für diverse Güter. Die Logistik ist, so gesehen, nicht nur das Verschieben von Kisten im hinteren Warenlager, sondern das Fundament aller Prozesse im Krankenhaus. Die Daten über Prozesse in einem System digital vorzuhalten, hat es Michael Kazianschütz erleichtert, sich zuerst einen Überblick zu verschaffen: Welche Prozesse laufen ab, wie wird das Material beschafft oder hergestellt und wie erfolgt die Lieferung?

Mit dem digitalen Instrument zur Visualisierung der Logistikplanung des "SCOR-Modells" wurde dann beispielsweise deutlich, dass die Anstaltsapotheke und die Materialwirtschaft am selben Tag Lieferungen auslieferten. Punktuell waren Anlieferzone und Warenlager dann enorm überlastet. Effizienter für alle dortigen Mitarbeiter ist es, die Lieferungen auf verschiedene Tage zu verlegen.

Herausforderungen bei der Dienstbekleidung

Ein massiver Kostenpunkt im Krankenhausmanagement ist die Wäsche. Pro Tag fallen im Klinikum Graz 17 Tonnen unreine Wäsche an, die gereinigt, gefaltet und schnell wieder in den Kreislauf eingebracht werden muss. Die Dienstbekleidung ist ein Teilbereich im Wäschemanagement.

„Im Rahmen der Erarbeitung der neuen Logistikkonzeption haben wir uns unter anderem vorgenommen, die Dienstbekleidung künftig zu entpersonalisieren“, erklärt Michael Kazianschütz. „Wir wollen uns von personalisierter Dienstbekleidung wegbewegen hin zu einem Bekleidungsraum, der mit der RFID-Technologie ausgestattet ist.“

Warum? „Bislang war nicht nachvollziehbar, wie viel Dienstbekleidung im Umlauf ist und wo sie sich befindet.“ Eine klassische Problemstellung ist die in Umkleideschränken vergessene schmutzige Dienstbekleidung. In Kazianschütz' Worten stellt diese Kleidung „gebundenes Kapital“ dar, das brach liegt. Ein RFID-Tag an der Kleidung heißt hingegen, dass sie erfasst und somit lokalisierbar ist.

Konzept des Bekleidungsraums

Dreh- und Angelpunkt des entpersonalisierten Dienstbekleidungskonzepts ist der Bekleidungsraum. Es handelt sich dabei um einen rechteckigen Raum mit einer Größe von ungefähr 80 Quadratmetern. Er befindet sich möglichst in der Nähe der Umkleiden und ist für 900 bis 1000 Mitarbeiter ausgelegt. Geöffnet ist dieser 24 Stunden.

Michael Kazianschütz erläutert die Benutzung: „Eine Mitarbeiterin kommt mit einer unreinen Dienstbekleidung in der Hand zu diesem Raum. Bevor sie ihn betritt, wirft sie die Kleidung in einen Schacht oder in einen Transportwagen ab. Über die vernähten RFID-Tags wird erfasst, wie viel Stück sie abgeworfen hat. Das System erkennt auch, ob es sich um Hosen oder Oberbekleidung handelt. Das, was ins System zurückgegeben wurde, wird ihr auf dem Mitarbeiterausweis gutgeschrieben. Mit der im Ausweis hinterlegten Berechtigung betritt die Mitarbeiterin dann, möglicherweise durch eine Drehtüre, den Raum. Sie entnimmt aus dem ihr zur Verfügung stehenden Kontingent Hosen und Oberteile in ihrer Größe. In der Regel werden wahrscheinlich maximal drei Oberteile und Hosen pro Mitarbeiter und Mitarbeiterin vorgehalten. Dann verlässt sie den Raum wieder durch eine Ausgangsschleuse. Über die RFID-Technologie wird in der Schleuse innerhalb von Sekunden erfasst, was sie entnommen hat. Das wird von ihrem Kontingent abgezogen. Danach kann sie den Bekleidungsraum komplett verlassen und in die Umkleide gehen.“

Bis auf die Ausgangsschleusen mit RFID-Reader ist der Bekleidungsraum als low-tec-Lösung mit schlichten Regalen voll gefalteter Kleidung angedacht. Saubere Dienstkleidung wird von der Wäscherei angeliefert, sortiert und in den Bekleidungsraum gefahren. Die Tags werden entweder im Gate erfasst oder per Handheld auf dem Lieferschein gescannt. Vor der geplanten Umsetzung wurde der Bekleidungsraum nachgebaut und auch eigene Simulationen durchgeführt.

Konzept des Bekleidungsschranks

Bis zu zehn neue Bekleidungsräume mit RFID-Reader sind für die Versorgung der 7.700 Mitarbeiter und MitarbeiterInnen geplant. Trotzdem wird nicht in jedem Gebäude Platz für einen Bekleidungsraum sein. Müssen MitarbeiterInnen also weiterhin längere Fußwege zum Wäschewechseln in Kauf nehmen?

„Nein, denn dort, wo keine Fläche zur Verfügung steht, haben wir eine Schranklösung angedacht, die auch mit RFID funktionieren soll“, erklärt Michael Kazianschütz. „Die Bekleidungsschränke sollen am Gang stehen. Eine Mitarbeiterin meldet sich einfach vor dem Schrank an, wirft unreine Kleidung ab und entnimmt saubere Kleidung aus ihrem Kontingent. Dabei werden fortlaufend die Tags ausgelesen. Die Abwurfbehältnisse können ebenfalls die RFID-Tags lesen – alles funktioniert nach demselben Prinzip wie beim Bekleidungsraum.“

Kulturwandel im Wäschemanagement

Wenn alle Kleidungsstücke im Kreislauf verbleiben, können enorme Kosten in der initialen Anschaffung eingespart werden. Diese Einsparungen werden innerhalb kurzer Zeit die aufgewendeten Kosten amortisieren. Mit den nicht mehr gebundenen Geldern soll qualitativ hochwertigere Dienstbekleidung beschafft werden, so der Plan. Ein weiterer Vorteil der digitalen Erfassung von Logistikprozessen ist, dass die Tätigkeiten aller logistischen Kernprozesse abgebildet werden.

Über das Prozessportal können die Mitarbeiter die schon erfassten Vorgänge einsehen und selbst in das Gesamtkonzept einordnen. Das hat zu einer großen Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft geführt. Der ganzheitliche Ansatz aus dem Supply Chain Management stellt sich auch in dieser Hinsicht als Vorteil dar.

„Ich möchte deswegen eigentlich gar nicht den Begriff Logistik in den Vordergrund stellen, sondern eher Supply Chain Management, denn das trifft eher mein Verständnis von dem, was ich und mein Team jeden Tag bewerkstelligen“, so Michael Kazianschütz. „Für mich und mein Team ist es essentiell, stets die gesamte Lieferkette und nicht nur Teilbereiche im Blick zu haben. Ich bin davon überzeugt, dass dadurch der Optimierungsgrad wesentlich höher ist als vice versa. Zudem werden letztlich auch alle Schnittstellen und potentielle Reibungspunkte berücksichtigt und Probleme können gegebenenfalls zeitgerecht entschärft werden."

Michael Kazianschütz' Vision ist es hingegen, das große Ganze im Fokus zu haben und über die gesamte Lieferkette Vorteile zu generieren.

Michael Kazianschütz MBA, MSc, ist seit 2019 Leiter des Bereichs Logistik/Supply Chain Management mit knapp 450 Mitarbeitern. In den Bereich fallen sowohl die operative Logistik (Betriebslogistik und Reinigung und Servicedienste) als auch die strategische Logistik (ehemals Stabsstelle Logistik/ SCM). Er ist interner und externer Ansprechpartner in allen logistischen Belangen des Klinikums. Neben der Gesamtverantwortung zur Erstellung eines Gesamtkonzepts Logistik zählen die Planung, Beratung und Optimierung einzelner Prozesse innerhalb der „Supply-Chain“ eines Krankenhauses zu seinen Hauptaufgaben. 2017 ist er mit dem LKH-Universitätsklinikum zum Preisträger des mit 6.000 Euro dotierten Leipziger Innovationspreises für Krankenhauslogistik gekürt worden.

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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