Das VTT verstärkt die Ausrichtung auf gedruckte Elektronik in der Medizin !
Gedruckte Elektronik stellt eine Möglichkeit dar, tragbare Mehr- und Einwegprodukte herzustellen, die die Gesundheit von Patienten überwachen. In nur wenigen Jahren werden diese Geräte potenziell alle Intensivpatienten im Krankenhaus rund um die Uhr erfassen können und dadurch die Sicherheit der Patienten erhöhen.
Teemu Alajoki, Wissenschaftler am VTT, spricht mit RFID im Blick über die Anwendungen und Perspektiven für gedruckte Elektronik in der Medizin – heute und morgen.
Seit 2001 Erfahrung mit gedruckter Elektronik
2001 begann das Technische Forschungszentrum Finland VTT mit gedruckter Elektronik zu arbeiten. Heute arbeiten über 100 Wissenschaftler und Ingenieure am Institut in diesem Bereich. „Das VTT war ein Pionier in gedruckter Elektronik. Das aktuelle Programm für Anwendungen im Gesundheitswesen baut auf früheren Erfahrungen auf. Im Laufe der Jahre sind medizinische Anwendungen für diese Technologie in den Vordergrund getreten“, berichtet Teemu Alajoki.
Anwendungen im Krankenhaus stehen im Fokus
Für Teemu Alajoki befinden sich die unmittelbaren Anwendungen für gedruckte Elektronik im Krankenhaus: „Tragbare Einwegprodukte können einfache physiologische Parameter wie Körpertemperatur, Atemfrequenz und Herzfrequenz erfassen. Sie können außerdem für komplexere Messungen wie etwa Pulsoximetrie, Elektrokardiographie und Elektroenzophalographie genutzt werden.“
Echtzeit-Überwachung für alle Patienten
Heute verlassen sich Intensivstationen zur Überwachung häufig darauf, einmal am Tag die Temperatur zu nehmen oder den Patienten an ein sperriges Überwachungsgerät anzuschließen.
„Drahtlose Verbindungen ermöglichen es, die Sensoren an das Wide Area Network des Krankenhauses anzuschließen. Wearables ermöglichen Überwachung rund um die Uhr, sodass die Ärzte schnell auf Notfälle reagieren können. Im Vergleich zu herkömmlichen Monitoring- Systemen oder manuellen Überprüfungen einmal pro Tag erlaubt es gedruckte Elektronik mit einer IoT-Verbindung, die Werte aller Patienten rund um die Uhr im Auge zu behalten“, erklärt Alajoki.
Erkennung von Herzattacken, Sepsis und mehr
Wearables können dazu eingesetzt werden, Patienten vor, während und nach der Operation zu überwachen. Indem sie eine dauerhafte Erfassung ermöglichen, erhöhen sie die Patientensicherheit.
„Nicht rechtzeitig erkannte Probleme können auf der Intensivstation fatale Folgen haben. Zugang zu Echtzeit-Daten hilft Ärzten dabei, Risikopatienten zu erkennen und rechtzeitig einzugreifen sowie eine verbesserte Nachsorge anzubieten. Medizinische Sensoren können Infektionen, Sepsis oder Entzündungen nach Operationen aufdecken. Sie können außerdem Anstiege in der Herzfrequenz oder der Körpertemperatur erfassen und Herzattacken rechtzeitig erkennen“, berichtet Teemu Alajoki. „Die Sicherheit der Patienten kann so erhöht werden. Patienten, die ein EinwegÜberwachungsgerät für wenige Tage mitbekommen, könnten sogar früher nach Hause geschickt werden – eine Möglichkeit, um in einer alternden Gesellschaft die Krankenhausaufenthalte zu verkürzen.“
Cloud-basierte Telemedizin wird möglich
Die Werte von Patienten von zu Hause aus erfassen zu können eröffnet neue Perspektiven für die Telemedizin. Medizinische Wearables können Ärzte dabei unterstützen, ihre Patienten auch außerhalb der Praxis besser zu behandeln.
Der Wissenschaftler skizziert ein mögliches Szenario: „Mit BLE- oder NFC-Sensor- Wearables können Patienten ihre Daten per Smartphone auslesen. Die Patienten schicken ihre Messwerte dann an ihren Arzt, der sie auswertet und bei Bedarf einen Termin vereinbart. Dies führt zu einer cloud-basierten, präventiven medizinischen Versorgung. Am VTT arbeiten andere Teams bereits an derartigen innovativen Systemen für Gesundheitsdaten.“
Komfort ist der Schlüssel für die Medizin
Die Basis für die Entwicklungen des VTT ist ein rechteckiges Pflaster, das auf die Haut des Patienten geklebt wird. Das VTT designt alle Layer vom Klebstoff und den Elektroden über Leiterbahnen und Komponenten bis hin zur Laminierung. Eine der Schlüsselherausforderungen ist der Tragekomfort für den Patienten, berichtet Teemu Alajoki:
„Gedruckte Elektronik ist für Pflaster geeignet, aber das herkömmliche Plastikmaterial ist zu starr für medizinische Anwendungen. Daher drucken wir auf thermoplastischem Polyurethan, das weicher, flexibler und dehnbarer ist. Wir nutzen auch speziell für den Körperkontakt entwickelte Klebstoffe – hautverträglich, aber stark genug für mehrere Tage Halt. Wer das Pflaster auf der Haut trägt, muss vergessen können, dass es da ist.“
Schutz gegen Defibrillationsimpulse
Für den Gesundheitssektor muss die elektromagnetische Verträglichkeit aller Geräte sichergestellt werden, um die Sicherheit des Patienten zu gewährleisten.
„Elektromagnetische Verträglichkeit ist komplex. Jedes Krankenhaus ist unterschiedlich, und Tests müssen die Kompatibilität sicherstellen“, so Teemu Alajoki. „Außerdem müssen gedruckte elektronische Komponenten dielektrisch geschützt werden. Sensoren und Elektronik mit Hautkontakt müssen bis zu zehn Defibrillationen widerstehen können. VTT hat bereits große Erfolge auf diesem Gebiet erzielt – und kürzlich bewiesen, dass defibrillationsgeeignete Widerstände mit gedruckter Elektronik hergestellt werden können.“
Gedruckte und diskrete Komponenten
Heute können noch nicht alle für einen medizinischen IoT-Sensor benötigten Komponenten direkt im Rolle-zu-Rolle-Verfahren gedruckt werden. Leiterbahnen, Elektroden, Kontakte und passive Elemente wie etwa Widerstände sind gedruckte Elektronik. Allerdings benötige das Design eine externe Batterie, erklärt der Projektleiter:
„Medizinische Geräte, die rund um die Uhr Daten erfassen und übertragen, benötigen große Mengen an Energie. Aktuelle Anwendungen erfordern eine Lebensdauer von zwei bis drei Tagen. Gedruckte Batterien werden irgendwann dafür geeignet sein, aber aktuell verfolgt das VTT einen hybriden Ansatz: Das Design greift noch auf einzelne vorgefertigte Komponenten zurück. Gedruckte Elektronik bietet für Leiterbahnen und Elektroden zahlreiche Vorteile, da diese flexibler sind und leicht hergestellt werden können. Andere gedruckte Komponenten werden nach und nach integriert, wenn die Möglichkeiten weiter voranschreiten.“
Zwei bis drei Jahre bis zur Marktreife
Um gedruckte Elektronik zu entwickeln, zu produzieren und in der Praxis zu testen, arbeitet VTT mit Partnern wie GE Healthcare und Universitätskliniken in aller Welt zusammen.
Teemu Alajoki erläutert: „Die Entwicklung von Medizinprodukten verursacht aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen und der gesetzlichen Vorgaben einen hohen Zeit- und Kostenaufwand, noch bevor der erste Prototyp in ein Krankenhaus gebracht wird. Neue Produkte müssen einen hohen Reifegrad erreichen, bevor sie in Kontakt mit den Patienten kommen. Daher wird sowohl eine Verbindung zum Markt als auch zum Anwender benötigt. Aufgrund unserer Vorarbeiten und unserer Partnerschaften erwarten wir, dass unsere Entwicklungen in etwa zwei bis drei Jahren auf dem Markt erhältlich sein werden.“