Hermetic Pumpen

Materialbedarfsermittlung in Echtzeit in der Pumpenproduktion

Papier war gestern! Mit einer RFID-E-Kanban-Lösung setzt Pumpenhersteller Hermetic auf transparente und digitale Prozesse.

Hermetic-Pumpen für die Industrie

Pumpen für die Chemieindustrie und Kältetechnik, dass ist seit über 60 Jahren das Spezialgebiet des Unternehmens Hermetic aus Gundelfingen im Breisgau. Mit dem Neubau einer Produktionshalle setze der Pumpenhersteller ein umfassendes Werk-Redesign in Gang.

Sämtliche Produktions- und Logistikprozesse werden fortlaufend auf Optimierungspotenzial geprüft. Im Zuge dieser Neuaufaustellung war Hermetic im Mai 2018 auf der Suche nach einer E-Kanban-Lösung, um die Nachschubsteuerung an der Fließfertigung zu digitalisieren und so zu optimieren.

Im Gespräch mit RFID im Blick berichtet Henning Natenhorst vom RFID-Systemhaus Wilms SCT über die Herausforderungen und Realisierung des auf UHF-RFID-Technologie basierenden Projektes.

Eine Besonderheit dabei: Sowohl Hermetic, als auch Wilms SCT betraten mit diesem Projekt, das in einem Rollout im Februar 2019 mündete, Neuland. Mit Erfolg, wie Hermetic-Produktionsleiter Michael Kunz zu berichten weiß.

Effizienzverluste in der Nachschubsteuerung

„Hermetic Pumpen organisierte die Nachschubsteuerung in der Produktion mit einem klassischen Kanban-System auf der Basis von Kanban-Karten", schildert Henning Natenhorst, Projektleiter bei Wilms SCT, die Ausgangssituation.

Manuelle Lösungen weisen, laut Natenhorst, zwei Schwächen auf. Erstens sammeln die Logistikmitarbeiter in der Produktion an sämtlichen Montageplätzen die eingeworfenen Kanban-Karten persönlich ein, was eine Echtzeit-Transparenz von Beständen und Bedarfen unmöglich macht. Zweitens gehen regelmäßig Kanban-Karten mit Nachschubaufträgen im Prozess verloren oder werden erst zeitlich verzögert bearbeitet, sodass beständig Materialien fehlen und Fertigungsaufträge unterbrochen werden müssen.

Für Hermetic-Pumpen bedeutete die Produktionsunterbrechung Zeitverlust, reduzierte Produktionszahlen und Zeitaufwand für die Suche nach Materialien oder Kanban-Karten.

Als Produzent von Spezialpumpen für spezifische Anforderungen in der Chemieindustrie oder der Öl- und Gasverarbeitung wollte Hermetic die Produktionskapazität steigern und den wachsenden Bedarf am Markt abdecken. Zu diesem Zweck überprüfte das Unternehmen die logistischen Abläufe in der Produktion im Detail. Fazit: Massive Effizienzverluste in der Nachschubsteuerung wurden sichtbar.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Wilms?

„Ein Labelproduzent hatte Hermetic-Pumpen den Tipp gegeben, sich an uns zu wenden. Nach dem ersten Kontakt ging alles sehr schnell. Das Lastenheft war nach kurzer Zeit erstellt und die Produktionsleitung entschied sich für die E-Kanban-Lösung von Wilms SCT. Für beide Unternehmen war eine derartige RFID-E-Kanban-Applikation Neuland. Wir als Integrator konnten jedoch ein Konzept erstellen, dass auf die flexiblen Anforderungen von Hermetic einging. So müssen beispielsweise Materialien und Halbzeuge mit in die Kanban- Lösung integriert werden, die nicht in Behältern transportiert werden. Eine Standard-E-Kanban-Anwendung hätte somit die Anforderungen vielleicht nur zu 80 Prozent abgedeckt“, erläutert Henning Natenhorst.

Drei Monate Entwicklung, eine Woche Inbetriebnahme

Die kurze Zeit bis zum Rollout nutzten die Supply-Chain-Experten, um die Software-Anwendung zu programmieren und wählten die Hardware aus. In einem Pilotaufbau auf dem Gelände von Wilms SCT wurde die Applikation bis ins kleinste Detail getestet und optimiert.

„Diese Vorarbeiten waren der Schlüssel zu einem sehr effizienten Rollout bei Hermetic innerhalb einer Woche im laufenden Produktionsprozess. Sämtliche eingesetzte KLTs wurden mit einem Inotec-TT-Label gekennzeichnet und über einen GRAI-96 im neu entwickelten E-Kanban-Manager unserer Standard- Software Tralosy serialisiert. Die Kanban-Regale wurden mit Reader- und Antennentechnik von Kathrein ausgestattet, um die jeweils eingeschobenen Behälter mit dem Regal in Tralosy zu verknüpfen“, beschreibt Henning Natenhorst den Rollout.

Stufe 1: Optimierung direkt an den vier Montageinseln

Tatort Produktion: Leere Behälter erzeugen Bedarfe in Echtzeit

„Für die Mitarbeiter in der Endmontage ist die Nutzung des E-Kanban-Systems denkbar einfach. Mussten sie vorher eine Kanban-Karte aus dem jeweiligen leerlaufenden Behälter nehmen und in eine Kasten am Ende des Regals werfen, halten sie heute den jeweiligen KLT einfach vor eine Antenne am Regal“, berichtet Henning Natenhorst und führt aus:

„Der Bedarf wird in Echtzeit automatisch in die Logistik übermittelt und im E-Kanban-Manager innerhalb der Tralosy-Software für die Logistikmitarbeiter im Magazin visualisiert. In einer Datenbank ist hinterlegt, welche Materialien in welcher Stückzahl in einem Behälter sein müssen – zum Beispiel 25 Passfedern. Ebenso ist gespeichert, wie viele Behälter als Sollbestand in einer Kanban-Linie vorgehalten werden müssen.“

In der Montage und dem Magazin wurden große Monitore installiert auf denen jeder Bedarf auf einem Dashboard angezeigt wird. „Diese Visualisierungen haben einen entscheidenden Effekt auf die Performance: Abweichungen werden direkt sichtbar und der Nachschubprozess kann unmittelbar angestoßen werden.“

Die digital gemeldeten Bedarfe eröffneten neue Möglichkeiten zur Optimierung der Produktion, so Henning Natenhorst: „Die im System gemeldeten Bedarfe erhalten automatisch einen Zeitstempel. Die Melde-, Soll- und Nullbestände – falls Material komplett vergriffen sein sollte – sind transparent.

Über die Verknüpfung dieser Informationen werden jetzt im E-Kanban-Manager Prioritäten vergeben. Auf Basis dieser Informationen erhalten die Logistikmitarbeiter eine Priorisierung, welche Bestände als nächstes aufzufüllen sind.“

Keine Materialleerläufe mehr in der Montage

Auf Basis der mit inotec-RFID-Labeln getaggten Behältern, Erfassungshardware an den Regalen der Montageplätzen sowie der Visualisierung samt Priorisierung in der Software findet bei Hermetic heute eine Bedarfsermittlung in Echtzeit statt.

„Kamen vorher Bedarfe, die eigentlich durch die Mitarbeiter in der Produktion gemeldet wurden, nicht in der Logistik an, waren Produktionsverzögerungen die Folge. Materialleerläufe werden heute komplett vermieden.“

Die Digitalisierung des Kanban-Prozesses wurde daher auch in einer zweiten Stufe bei der Kommissionierung im Magazin fortgesetzt.

Stufe 2: Optimierung in der Kommissionierung

Effiziente Kommissionierwege dank digitaler Priorisierung

„Die zweite Stufe der von uns gemeinsam mit Hermetic realisierten Lösung umfasst die Information der Logistiker im Magazin über Bedarfe in einer App auf einem Handheld. Der jeweilige Mitarbeiter kann eine Vorauswahl treffen, ob er für eine bestimmte Linie, einen bestimmten Bereich oder alle Bereiche kommissionieren möchte.

Nach dieser Vorauswahl wird die vorherige Priorisierung so umsortiert, dass der Mitarbeiter immer auf dem effizientesten Weg durch das Magazin navigiert wird“, so Henning Natenhorst.

Doppelte Absicherung mit optischen Informationen

Entnimmt ein Logistikmitarbeiter ein Teil aus einem Magazinregal, findet ein Plausibilitätscheck mit dem angeforderten Bedarf statt. „Die Mitarbeiter nutzen dazu Android-basierte Nordic ID HH53 Handhelds, um die kommissionierten Materialien mit dem jeweiligen KLT zu verknüpfen.

Diese Informationen werden via WLAN an eine Drucker gesendet, auf ein Etikett gedruckt und visuell erfassbar als Kanban-Begleitschein auf Behälter geklebt. über diese Einweg-Etiketten besteht die Möglichkeit, auch ohne Reader die SAP-Materialnummer zu lesen. So lässt sich erkennen, wann der Behälter befüllt wurde und an welche Montageinsel er geliefert werden soll.“

KLT-Bestand so niedrig wie möglich halten

Sobald die bedarfsgerechte Kommissionierung abgeschlossen ist, werden die befüllten KLTs auf einen Routen-Zug geladen und auf die Rückseite der Kanban-Regale an den Montageinseln gefahren. Über die RFID-Erfassung direkt am Regal wird der Bestand aus dem Magazin in die Produktion umgebucht. Auf dem Rückweg werden die leeren Behälter vom Leergutbahnhof mit in das Magazin genommen.

„Eine weitere Besonderheit der für Hermetic umgesetzten Lösung ist, dass die Behälter nicht auf ein bestimmtes Material festgelegt sind. Das erhöht nicht nur die Flexibilität der Gesamtlösung, sondern sorgt mit dafür, den KLT-Bestand so gering wie möglich zu halten“, sagt Henning Natenhorst. Je nach zukünftiger Anforderung ist es aber jederzeit möglich, neue KLT-Batches in das System aufzunehmen. „Um neue KLTs zu serialisieren, verfügt Hermetic über einen RFID-Drucker von Zebra zur Inhouse-Produktion und Codierung der benötigten Etiketten.“

Erstes Ziel erreicht: Trouble Shooting massiv reduziert

„Als übergeordnetes Ziel hat sich Hermetic gesetzt, die Durchlaufzeit in der auftragsbezogenen Fertigung von drei auf zwei Wochen zu senken. Das E-Kanban-System trägt einen entscheidenden Teil dazu bei dieses Ziel in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Die Benefits der seit Februar stabil laufenden Applikation sind heute bereits deutlich sichtbar: Eine Datenerhebung nahezu in Echtzeit und das vollständige Vermeiden von Datenverlusten haben eine neue Transparenz- Dimension ermöglicht. In der Kommissionieren konnten Fehler fast gänzlich reduziert werden, allein durch die verbesserte Information via App auf den Handhelds. Das Trouble Shooting wurde massiv reduziert.“

Stufe 3: Ausblick auf weitere Prozessoptimierungen

Nachschubanforderung direkt aus der Produktion erfüllen

Die realisierte RFID-E-Kanban-Lösung lässt heute bereits das Potenzial für weitere, digitale Prozessoptimierung erkennen, berichtet Henning Natenhorst:

„Für Hermetic ist E-Kanban nur ein erster Schritt, dem viele weitere folgen sollen. Dieses Projekt hat gezeigt, wie Prozesse transparenter gestaltet werden können und so zu einer Produktionssteigerung beitragen, ohne dass die Mitarbeiterzahl aufgestockt werden muss. Die geschaffene Datengrundlage eignet sich jetzt für weitergehende Analysen und Entscheidungen. Fehlerzustände werden erkannt, Ursachen und Bottlenecks können eingegrenzt und vermieden werden.“

Nächste Schritte, die sich laut Hennig Natenhorst jetzt anschließen könnten, wäre zum Beispiel eine Paletten- und Ladungsträgerverfolgung innerhalb der Produktion – mit Potenzialen in zwei verschiedenen Richtungen:

„Zunächst hätte dies eine unmittelbar positive Auswirkung auf die intralogistischen Prozesse, wenn RFID an Drehautomaten und CNC-Bearbeitungszentren dafür eingesetzt wird, um Behälter, die mit Halbfertigprodukten beladen werden, ebenfalls digital zu erfassen. Verknüpft mit dem E-Kanban-System wäre es dann möglich, bestimmte Teile nicht aus dem Magazin anfordern zu müssen, sondern direkt von der Fertigung an die jeweilige Montageinsel zu transportieren. Auch die Palettenverfolgung bis in den Versand ist eine zusätzliche Erweiterungsmöglichkeit, die jetzt implementiert werden könnte. Hermetic evaluiert diese und andere möglichen Schritte intensiv, um die interne Digitalisierung mit innovativen Technologien wie RFID voranzubringen.“

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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