Silicon Saxony

Globaler Halbleitermangel

Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony
Interview

„Wer weit gehen will, der geht GEMEINSAM.“

Mit dem Start eines weiteren IPCEI Mikroelektronik bekennt sich Europa zur Förderung der Halbleiterherstellung und -entwicklung. Europa müsse weiter investieren und zusammenarbeiten, betont Frank Bösenberg. Dies sei nötig, um in der Branche nicht den Anschluss zu verlieren.
INTERVIEW MIT FRANK BÖSENBERG

Frank Bösenberg arbeitet seit 2014 für den Silicon Saxony, 2018 wurde der studierte Bauingenieur und Wirtschaftswissenschaftler zum Geschäftsführer ernannt.

1. Herr Bösenberg, welche Bedeutetung hat Europa und die Entscheidungen in Brüssel für Silicon Saxony?

Silicon Saxony vertritt als Cluster den größten Halbleiterstandort in Europa, die europäische Zusammenarbeit sehen wir im Vorstand als vorrangig an. Wir, die Halbleiterstandorte in Europa, müssen zusammen agieren, um weltweit zu bestehen.

Sachsen ist als Maßstab genauso zu klein wie Deutschland. Wir müssen europäisch denken und handeln, um gegenüber den anderen Regionen wie den USA, China oder Südkorea auf Augenhöhe auftreten zu können. Diese Länder können viel größere Summen für Halbleiterstandorte aufwenden, als Deutschland das allein könnte. Für mich rangiert die europäische Zusammenarbeit daher an oberster Stelle.

2. Ist der Entscheidungsprozess und die Meinungsbildung auf europäischem Parkett in Brüssel nicht auch mühselig?

Ja, es kommt auf den Konsens an, jedoch ist dieser nicht immer leicht zu erreichen. Ein afrikanisches Sprichwort besagt, „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“ Wir wollen ja weit gehen, insofern ist genau diese Zusammenarbeit wichtig. Eine schnelle Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene begrüßen wir natürlich auch sehr.

Die EU ist auf dem richtigen Weg. Eine hohe Geschwindigkeit der Umsetzung ist und bleibt eine Hauptforderung von uns. Es gibt verschiedene Statistiken, die den von Europa zur weltweiten Produktion beigesteuerten Anteil zwischen sechs und zehn Prozent beziffern. Dieser Anteil soll nach dem Ziel der europäischen Kommission bis 2030 auf zwanzig Prozent der globalen Wertschöpfung gesteigert werden. Der sogenannte Digital Compass setzt richtige und wichtige Ziele wie mehr Technologiesouveränität. Diese ist aus vielerlei Gründen sinnvoll – nicht zuletzt aus ökologischen.

3. Wie schätzen Sie den Kauf von Unternehmen aus Silicon Saxony durch Investoren mit Sitz im Ausland ein?

Ein sehr prominentes Beispiel aus unserer Region aus dem Bereich organischer Elektronik ist die Novaled, die 2014 an Samsung verkauft worden ist. Aus unserer Sicht ist dies immer noch eine Erfolgsgeschichte weil das Gründerteam und auch die TU Dresden ein Return an Investment hatten und sämtliche Komponenten der Firma in der Region verblieben sind.

Der Produktionsstandort wurde erhalten und ist erweitert und ausgebaut worden. Die Arbeitsplätze wurden nicht nur erhalten, sondern deren Anzahl sogar gesteigert. Das Know-How dieser Firma zirkuliert weiterhin in der Region und hat sich vervielfacht, während sich die Investitionen und Innovationen finanziell bezahlt gemacht haben. Dies ist eine Erfolgsgeschichte für eine internationale Kooperation. Aktuell ist auch der Kauf des Waferherstellers Siltronic, der von Global Wafers, einem Unternehmen mit Sitz in Taiwan, übernommen wurde.

Wir haben auch ein paar Beispiele für Investments aus China. In einem Fall weiß ich, dass die übernommene Firma heute in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existiert, andere Firmen sind jedoch erhalten geblieben. Kurz, eine allgemeingültige Aussage zu solchen Akquisitionen ist schwer möglich, es kommt immer auf den Einzelfall an. In Zeiten, in denen alle Regionen nach mehr Souveränität streben, braucht es sicher auch eine klare Strategie in dieser Hinsicht – idealerweise auf europäischer Ebene mit entsprechender nationaler Unterstützung.

4. Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen dem innereuropäischen und dem globalen Markt für Halbleiter?

Dazu gebe ich Ihnen am besten ein ganz junges Beispiel: Vor kurzem fand der EU-USA Gipfel statt und eine Erklärung zu diesem veröffentlicht. In diesem Dokument wird eine explizite Absichtserklärung für eine US-EU Partnership on Semiconductor Supply Chain dargelegt. Die transatlantische Zusammenarbeit im Bereich Semiconductor wird darin explizit genannt. Global ist sowohl für die Industrie als auch für die Kunden ein sehr gut vernetzter und funktionierender, fairer Welthandel das Optimum.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass ein Handelspartner aus dem Deal aussteigt und anfängt sich unfair zu verhalten. Diesem möchte man als Regierung oder Unternehmen nicht ausgeliefert sein. Keine Region dieser Welt ist unabhängig, wenn es um die Produktion von Halbleitern geht, noch nicht einmal nahe an Unabhängigkeit, weder die USA noch China noch Europa. Die Regionen sind noch voneinander abhängig. Diese Abhängigkeit zumindest ein bisschen zu verringern ist aus vielerlei Gründen im strategischen Interesse jeder Region. Und dieses Interesse haben die USA, China, und inzwischen auch Europa sehr deutlich erkannt. Eine größere Unabhängigkeit bedeutet keine Autarkie. Es heißt auch nicht, dass kein Wissens- oder Informationstransfer mehr stattfindet oder der Handel zum erliegen kommt.

5. Was genau meinen Sie mit Unabhängigkeit?

Einzelne Aspekte oder Teile der Wertschöpfungskette existieren weltweit nur noch an einem einzigen Standort. Führende Design-Systeme kommen aus den USA. Der EUV-Hersteller ASML hat seinen Sitz in den Niederlanden, Europa. Egal ob ein Unternehmen in Taiwan, China, USA oder Europa eine neue Leading- Edge FAB bauen will: Ohne eine Maschine aus den Niederlanden ist es unmöglich. ASML stellt das höchste Level her, es gibt keinen anderen vergleichbaren Anbieter. Daraus ergeben sich hochpolitische Fragestellungen. Wird zum Beispiel aufgrund des Handelskonflikts zwischen China und den USA die Auslieferung von ASML-Maschinen nach China blockiert, oder wird ein fairer Welthandel ermöglicht?

Noch ist keine Region der Welt unabhängig von den anderen. Die Halbleiterbranche hat spätestens seit Fukushima diese eigenen Abhängigkeiten gut im Blick und kann so bei Störungen, wie zum Beispiel dem Vorfall mit der Ever Given im Suezkanal, schnell entsprechende Krisenmaßnahmen starten. Der Chipmangel in der Automobilindustrie stammt zum Teil auch aus einer nicht vollständigen Kenntnis der kompletten Supply Chain. Dies ist eine strategische Aufgabe die jeder Kontinent oder jede Region für sich lösen muss. Sehr strategische und auch sehr langfristige Bemühungen zum Ausbau der industriellen Basis sehe ich vor allem in China. Davor kann und sollte man als Europäer die Augen nicht verschließen, jedoch ohne diese Erkenntnis per se zu verteufeln.

6. Wie schätzen Sie die Entwicklung im Bereich gedruckte Elektronik ein?

Das ist ein Bereich, der auch im Silicon Saxony viel Aufmerksamkeit erregt hat. Es gibt bei uns ein eigenes Netzwerk für gedruckte Elektronik, Organic Electronic Saxony, das von meinem geschätzten Kollegen Dominik Gronarz geführt wird. Dieses Thema hat auch bei unseren Mitgliedern in vielen Bereichen schon Einzug gehalten und zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies ist ein Bereich der Elektronik der keine Zukunftsvision ist, sondern schon Gegenwart.

7. Wo sehen Sie die zukünftigen Einsatzbereich von gedruckter Elektronik?

Ich sehe den Einsatz vor allem im Bereich von flexibler Elektronik, also dort, wo eine Anpassung an die Form des Bauteils wichtig oder sinnvoll ist. Ein ganz profanes Beispiel: Ich habe schon aufdruckbare Schaltkreise an Motorradgriffen gesehen, weil sie leicht an die Form anzupassen sind. Hier in der Region stellt die Firma Heliatek organische LED-Folien her. Dies sind Solarfolien, die sich an eine äußere Form anpassen. Diese Innovation gibt es auch schon. Die Einsatzbereiche sind so vielfältig dass es schwerfällt, einzelne Anwendungsbereiche herauszufiltern. Überall dort wo wir nicht über zwei Dimensionen oder ein Rechteck sprechen ist gedruckte Elektronik vorstellbar und wird meiner Ansicht nach auch immer mehr Einzug halten.

Wo sehen Sie die zukünftigen Einsatzbereich von gedruckter Elektronik?

In gedruckter Elektronik werden elektronische Komponenten in Schichten additiv auf ein Trägermaterial aufgetragen. Durch gezielte Ladungsträgerinjektionen nehmen die gedruckten Komponenten die Eigenschaften von Halbleitern an, benötigen im Vergleich jedoch weniger Produktionsschritte als die 1200 der gewöhnlichen Halbleiterproduktion. Bild: Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung IFAM

The END
Vielen Dank fürs Lesen!
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