5G

5G in Deutschland: Status Quo

Echtzeit-sensitive Prozesse wie das autonome Fahren oder smarte industrielle Automatisierungen sollen mit 5G vollkommen neue Wege gehen können.

Ersetzt 5G jetzt die vorherige Mobilfunkgeneration?

Am 12. Juni 2019 endete die Auktion der Bundesnetzagentur für 5G-Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz. Ende November 2019 schuf die Bundesnetzagentur Klarheit über das Antragsverfahren für lokale 5G-Funkanwendungen. Die besten Voraussetzungen, um jetzt mit dem Datenturbo die Digitalisierung der Industrie und Logistik mit einem gewaltigen Satz auf die nächste Stufe zu katapultieren?

Theoretisch ja, denn die 5G-Technologie bietet im Vergleich zu 4G/LTE eine Vervielfachung der Datenraten sowie kurze Latenzzeiten. Echtzeit-sensitive Prozesse wie das autonome Fahren oder smarte industrielle Automatisierungen sollen mit 5G vollkommen neue Wege gehen können. Wie weit ist die Standardisierung vorangeschritten? Welche Vorteile werden realisierbar für Industrie und Logistik? Wo liegt der Mehrwert einer privaten 5G-Lizenz für Unternehmen?

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Rückblick: 5G-Projekte 2019

Der E-Auto-Bauer e.GO Mobile startete gemeinsam mit den Partnerunternehmen Vodafone und Ericsson eine 5G-Vernetzung im Werk 1 am Standort Aachen. Siemens und Qualcomm implementierten Ende November 2019 nach eigenen Angaben das erste private 5G-Netz in einer realen industriellen Umgebung.

Die Telekom testet gemeinsam mit Osram ein Campus-Netz, in dem Maschinen in einem realen Produktionsumfeld drahtlos vernetzt sind. In diesem Test kommt (noch) kein 5G zum Einsatz, sondern eine Kombination aus öffentlich verfügbarem LTE-Funknetz und einem auf dem Osram-Werksgelände separat realisierten, privaten LTE-Netz.

Wann startet 5G in Deutschland?

„Deutschland soll Weltspitze bei der digitalen Infrastruktur und Leitmarkt für 5G werden. Die neue Mobilfunkgeneration 5G soll die Entwicklung innovativer Dienste und Anwendungen fördern. Dafür werden Frequenzen frühzeitig und bedarfsgerecht bereitgestellt, damit Deutschland bei diesem Technologiesprung voranschreitet.“ So formuliert die für die Frequenzversteigerung und Lizenzvergabe zuständige Bundesnetzagentur die Vision zu 5G seitens des Staates.

Inwieweit sich diese Vision in eine konkrete Zielsetzung umwandeln lässt, werden die kommenden Monate zeigen müssen. Die Versteigerung, zu der 2019 erstmals vier Mobilfunkbetreiber zugelassen waren, endete mit einem Ergebnis von knapp 6,55 Milliarden Euro. Die Lizenzen haben eine Laufzeit bis Ende 2041. Ende November veröffentlichte die Bundesnetzagentur die Bedingungen für die Beantragung privater 5G-Lizenzen.

Schnelle Breitbandversorgung liegt in den Händen der Unternehmen

Erstmals seit der Einführung von digitalem Mobilfunk, hat die Bundesnetzagentur einen Frequenzbereich reserviert, der nicht über Frequenzen versteigert wurde. Damit wurde die Wertigkeit von 5G für industrielle und logistische Prozesse unterstrichen. „Die ersteigerten Frequenzen können nach der Zu teilung bundesweit für 5G genutzt werden. Die schnelle Breitbandversorgung liegt damit in den Händen der Unternehmen.

Die Netzbetreiber können ihre Netzplanung konkretisieren und ihre Netze zügig ausbauen“, erläutert Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur in einer Pressemeldung am 4. September 2019. Ist 5G damit bereit zum Einsatz in Industrie und Logistik?

Ersetzt 5G die vorherige Mobilfunkgeneration?

Der Anfang von 5G ist nicht das Ende von 4G/ LTE. Geplant ist, dass beide Technologien die Basis für die Weiterentwicklung zusätzlich zum bestehenden Mobilfunknetz bilden. Der parallele Betrieb beider Technologien soll, so die Sicht der Netzbetreiber, zukünftig größere Kapazitäten und schnellere Netzgeschwindigkeiten gewährleisten.

Gleichzeitig hat der 4G/LTE-Ausbau in Deutschland und weltweit noch lange nicht den geplanten Peak erreicht. Mit der maximalen globalen Verbreitung von 3G/UMTS rechnen die Experten der 3GPP im Jahr 2020, bei 4G/LTE im Jahr 2030 und bei 5G liegt der erwartet Peak der globalen Verfügbarkeit im Jahr 2040.

Welche Vorteile erzeugen 5G-Netze für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Die Erwartungen an 5G sind hoch. Die technologischen Features – hohe Datenraten und geringe Latenzzeiten – ermöglichen Konzepte für Prozessoptimierungen in der Industrie und Logistik, die auf eine Echtzeitkommunikation angewiesen sind. Für Anwendungen in der Wirtschaft sind die technischen Möglichkeiten der fünften Mobilfunkgeneration interessant:

  • Spitzendatenraten pro Funkzelle bis zu 20 Gbit/s (downlink) und 10 Gbit/s (uplink)
  • Latenzzeiten von knapp einer Millisekunde für End-User
  • Netzdichte: Bis zu einer Millionen Teilnehmer pro Quadratkilometer
  • Kommunikation auch bei Geschwindigkeiten bis zu 500 km/h

Benefits liegen in Echtzeiteinbindung

Zusammenfassend bedeutet der Einsatz von 5G in industriellen und logistischen Prozessen, dass Anwendungen, die bislang auf eine kabelgebundene Datenkommunikation angewiesen waren, künftig mit vergleichbarer Qualität über 5G kommunizieren können. Dieser Vorteil ist aber nicht gleichbedeutend mit der kompletten Ablösung fester Verkabelungen.

Eine festinstallierte Produktionsmaschine in einer Fabrik zukünftig per 5G-Funk, anstatt Kabel mit der Fertigungssteuerung zu verbinden erzeugt keinen Mehrwert. Die erwarteten, ausgeprägten Benefits liegen insbesondere in der Echtzeiteinbindung von mobilen Anlagen, Robotern, Transportsystemen und vielem mehr.

Wireless-Technologien in der Industrie – ein Überblick

3G/4G – und später dann auch 5G – konkurrieren in industriellen Umgebungen mit einer Reihe anderer technischer Lösungen zum Aufbau lokaler, funkbasierter CampusNetze. Jede Funktechnologie bietet bestimmte Vor- und Nachteile.

  • Proprietäre Funklösungen wie ZigBee oder Bluetooth sind je nach Auslegung für kürzere Kommunikationswege von unter 100 Metern und Datenraten von deutlich unter 100 Mbit/s geeignet.
  • LPWAN-Technologien wie LoRa oder SigFox erreichen Datenraten von knapp über 100 kBit/s, dafür jedoch Reichweiten von rund zehn Kilometern oder mehr.

Auf der Habenseite dieser beiden Funktechnologie-Lösungen stehen ein geringer Energiebedarf der Funkkomponenten und die Möglichkeit eine hohe Anzahl beziehungsweise Dichte an Usern in einem Netz zu erreichen. Aus diesen beiden Aspekten resultiert eine hohe Kosteneffizienz dieser Low-Power-Technologien. Bildhaft auf der gegenüberliegenden Seite stehen WiFi-/ WLAN-Systeme und Lösungen, die auf den Mobilfunktechnologien von 3G bis 5G basieren.

  • WiFi-/WLAN gewährleisten hohe Datenraten auch jenseits der 100 Mbit/s bei vergleichsweise geringeren Reichweiten von unter 100 Metern. Die Energieaufnahme liegt höher als bei den Low-Power-Technologien. Vorteil: WiFi-Infrastrukturen sind in Fabrik- und Logistikumgebungen weitverbreitet.
  • Mobilfunktechnologien bilden eine „HighEnd-Lösung“ im industriellen Umfeld mit hohen Datenraten, geringen Latenzzeiten und der Möglichkeit auch sich schnell bewegende Objekte zu erfassen.  

Use Case: Handover ohne Bruch der Kommunikation  

In der industriellen Fertigung werden insbesondere mobile Anwendungen von einer produktionsweiten 5G-Verfügbarkeit profitieren. Ein Beispiel dafür sind fahrerlose Transportsysteme. Ein Großteil der eingesetzten AGV kommuniziert mit Steuerungssystemen via WLAN. Ein Nachteil dabei ist, dass WLAN-Technologie kein Handover unterstützt. Bewegt sich ein AGV durch eine Fabrik erreicht die Grenze der Funkabdeckung eines WLAN-Access-Point, wird die Kommunikation für einen kurzen Zeitraum unterbrochen.

Auf Basis eines 5G-Netzes entsteht die Möglichkeit der unterbrechungsfreien Kommunikation von AGVs unabhängig von Geschwindigkeiten oder teilnehmenden Fahrzeugen im Netz. Bei Übergängen wird eine neue Verbindung immer zuerst aufgebaut, bevor die bestehende beendet wird.

Verpflichtungen müssen vollumfänglich nachgekommen werden

Flächendeckung mit bis zu 100 Mbit/s als „Gegenleistung“ für den 5G-Rollout Die sogenannten Versorgungsauflagen für die vier bei der Frequenzvergabe zugelassenen Netzbetreiber – Telekom Deutschland, Vodafone, Telefónica Germany und Drillisch Netz – sind umfangreich.

Im Rahmen der Frequenzzuteilung nach Abschluss der Versteigerung muss laut Vorgabe der Bundesnetzagentur garantiert werden, dass „die Zuteilungsnehmer unter anderem bis Ende 2022 jeweils 98 Prozent der Haushalte je Bundesland und alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen und Schienenwege mit mindestens 100 Mbit/s versorgen. Bis Ende 2024 sollen alle übrigen Bundesstraßen mit mindestens 100 Mbit/s, alle Landes- und Staatsstraßen, die Seehäfen und wichtigsten Wasserstraßen und alle übrigen Schienenwege mit mindestens 50 Mbit/s versorgt werden.“

Versorgungsauflagen bisher nicht umfänglich erfüllt

In einer Pressemitteilung – Stand Mai 2020 – teilte die Bundesnetzagentur mit, „dass eine Überprüfung ergeben hat, dass Telefónica, Telekom und Vodafone die Versorgungsauflagen nicht im vollen Umfang fristgerecht nachweisen konnten. Nach eigenen Angaben haben die Unternehmen Telekom und Vodafone die Auflage zur Versorgung der Haushalte grundsätzlich erfüllt. Telefónica konnte nach eigenen Angaben die von der Bundesnetzagentur geforderten Versorgungsauflagen nicht fristgerecht erreichen. Das Unternehmen geht allerdings davon aus, dass es die Auflagen bis zum Ende dieses Jahres erfüllen wird.“

5G: Make or Buy?  

Bei der Vergabe der 5G-Frequenzen hat die Bundesnetzagentur zum ersten Mal in der Geschichte der Frequenzbandauktionen seit dem Jahr 2000 einen definierten Bereich ausgespart. Der Frequenzbereich zwischen 3,7 GHz und 3,8 GHz steht Unternehmen, Kommunen oder Institutionen wie Universitäten zur Verfügung. Die Preise, die die Bundesnetzagentur für eine private 5G-Lizenz veranschlagt, gelten als moderat.

Berechnet werden die anfallenden Gebühren anhand des benötigten Frequenzspektrums, der Fläche, auf der ein Netz implementiert werden soll, sowie der Laufzeit der Lizenz. Im Vergleich zur Frequenzband-Auktion müssen an privaten 5G-Lizenzen interessierte Unternehmen auch nicht für die Frequenzen bieten, sondern können diese bei der Bundesnetzagentur beantragen. Für den Aufbau eines privaten 5G-Campus-Netzes gibt es zukünftig zwei verschiedene Möglichkeiten – Make-or-Buy.

1. Option: Make  

Ein Unternehmen plant, implementiert und betreibt einen lokalen 5G-Funkzugang mit einem autarken 5G-Netz auf dem eigenen Firmengelände. Die alleinige und ausschließliche Verantwortung für das Datenmanagement und -sicherheit, sowie nutzbare Dienste/Anwendungen im Netz wie beispielsweise Edge Computing, liegt in der Hand des Campus-Netz-betreibenden Unternehmens. Eine Verbindung zum öffentlichen Funknetz ist über eine Firewall technisch möglich.

2. Option: Buy

Ein Unternehmen „kauft“ sich ein CampusNetz bei einem der vier Netzanbieter. Als Servicedienstleister implementiert dieser dann ein geschlossenes Funknetz und muss eine hohe Datensicherheit mit schneller Datenübertragung bei niedrigen Latenzzeiten garantieren. Ebenso ist der Netzbetreiber verantwortlich für eine garantierte Verfügbarkeit von hohen Bandbreiten mit einem vorher definierten Datendurchsatz. Ein Zugriff aus dem öffentlichen Netz auf ein für Kunden installiertes Campus-Netz ist nicht möglich.

Auf der anderen Seite ist ein privates Campus-Netz immer an das öffentliche Netz angeschlossen, um eine Kommunikation mit Teilnehmern des öffentlichen Netzes zur Verfügung zu stellen; beispielsweise mit Lieferanten oder externen Dienstleistern.

Release 16

Der Release 16 umfasst Standardisierungsmaßnahmen für den internationalen Mobilfunk. Es wurde vom 3GPP erarbeitet. Zu den Neuerungen im Release 16 gehören unter anderem optimierte V2X Unterstützung per 5G, Local Area Network Support für 5G, zellbasierte IoT-Unterstützung sowie Weiterentwicklung, 5G basierte Positionsbestimmung und geringerer Stromverbrauch. Release 16 ist seit Anfang Juli 2020 abgeschlossen. Release 17 befindet sich bereits in der Entwicklungsphase.

3rd Generation Partnership Project (3GPP)

Das 3GPP ist mit der Weiterentwicklung der internationalen Mobilfunkstandards betraut. Partner von 3GPP sind die großen Normungsorganisationen der Informations- und Telekommunikationstechnologie. Der Partner für Europa ist das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) mit Sitz in Frankreich.

Im Rahmen der Weiterentwicklung des Mobilfunknetzes fokussiert ETSI auf UMTS und GSM; andere Partner wie ATIS (USA) oder CCSA (China) arbeiten mit besonderem Fokus auf ihren jeweiligen Mobilfunknetzen. Das 3GPP ist mit der Weiterentwicklung der internationalen Mobilfunkstandards betraut. Partner von 3GPP sind die großen Normungsorganisationen der Informations- und Telekommunikationstechnologie.

Der Partner für Europa ist das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) mit Sitz in Frankreich. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Mobilfunknetzes fokussiert ETSI auf UMTS und GSM; andere Partner wie ATIS (USA) oder CCSA (China) arbeiten mit besonderem Fokus auf ihren jeweiligen Mobilfunknetzen.

Quelle: RFID im Blick, Ausgabe 04/2020

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer
Chefredakteurin und Konferenzmanagerin
Lüneburg, Deutschland
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